rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung von Trinkgeldern bei Kellnern
Leitsatz (redaktionell)
1. Trinkgelder können in Anlehnung an den Kellnerumsatz geschätzt werden.
2. Die Trinkgeldzahlung ist im Einzelfall von unterschiedlichen Faktoren abhängig, so von der Art des Lokals, den Gepflogenheiten und der Zusammensetzung der Kundschaft und etwaigen besonderen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen.
3. Eine Schätzung in Höhe von 2,5 v.H. des gesamten Kellnerumsatzes erfasst nicht nur bei einem „herausgehobenes Restaurant”, sondern auch bei einem „normalen Speiselokal” den Anteil des Trinkgeldes in der richtigen Höhe.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 51, § 19 Abs. 1 Nr. 1; AO § 162 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Schätzung von Trinkgeldern.
I.
Der Kläger war in den Streitjahren 1998 bis 2001 als Kellner – sog. Prozentlohnbedienung – in der […] A-Gaststätte in […] beschäftigt. Nach Durchführung einer Lohnsteueraußenprüfung beim Arbeitgeber des Klägers, der A-GmbH […], in den Jahren 2001/02 teilte der Außenprüfer dem Beklagten – dem Finanzamt (FA) – durch Kontrollmitteilung vom 13. August 2002 mit, dass der Kläger nach seinen Feststellungen freiwillige Trinkgelder bezogen haben müsse, die über dem steuerlichen Freibetrag von 2.400 DM nach § 3 Nr. 51 Einkommensteuergesetz (EStG) lagen. In Anbetracht der Lage der A-Gaststätte, der Gästefrequentierung und des Kundenkreises erscheine eine Schätzung des Trinkgeldes in Höhe von 2,5 vom Hundert (v.H.) des jeweiligen Umsatzes an der unteren Grenzen des Schätzungsrahmens.
Der Prüfer schätzte deshalb die Trinkgelder in Höhe von 2,5 v.H. des dem Kläger jeweils zuzurechnenden Jahresumsatzes (1998: 309.169 DM; 1999: 346.327 DM; 2000: 352.371 DM; 2001: 384.140 DM) und gelangte nach Abzug der Freibeträge gemäß § 3 Nr. 51 EStG zu Beträgen von 5.329,23 DM für 1998, von 6.708,18 DM für 1999, von 6.409,28 DM für 2000 und von 7.203,50 DM für 2001. Am 8. November 2002 reichte der Kläger nach der Aufforderung durch das FA mit Schreiben vom 12. September 2002 Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre ein und erklärte in den jeweiligen Anlagen N neben dem Bruttoarbeitslohn, als weiteren steuerpflichtigen Arbeitslohn, von dem kein Steuerabzug vorgenommen wurde, die vom Außenprüfer geschätzten Trinkgelder.
Auf der Basis dieser Steuererklärungen – und der Schätzungen des Außenprüfers – erließ das FA am 2. Dezember 2002 Bescheide zur Einkommensteuer der Streitjahre und veranlagte den Kläger zusammen mit seiner […] verstorbenen Ehefrau.
Hiergegen legte der Kläger Einsprüche ein, die das FA mit Einspruchsentscheidung vom 23. April 2003 als unbegründet zurückwies.
Dagegen richtet sich die am 26. Mai 2003 erhobene Klage. Der Kläger wendet ein, dass eine Zuschätzung des Trinkgeldes nur in Höhe von 1 v.H. bis 1,5 v.H. des Umsatzes erfolgen könne. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH-Beschluss vom 30. April 2001 VI B 26/01, BFH/NV 2001, 1386) sei eine Schätzung von Trinkgeldern in einem Rahmen von 1,0 v.H. bis 3,5 v.H. des jeweiligen Umsatzes angemessen. Bei der Schätzung seien sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Deshalb sei im Streitfall eine Schätzung in Höhe von 2,5 v.H. des Umsatzes unzutreffend, da die Gaststätte, in der der Kläger in den Streitjahren beschäftigt gewesen sei, kein gehobenes Speiselokal sei. Die Gaststätte, in der der Kläger beschäftigt sei, zeichne sich vielmehr dadurch aus, dass dort in erheblichem Umfang Großveranstaltungen stattfänden und bei diesen werde weniger Trinkgeld gegeben, da diese Rechnungen durch Kreditkarte und nicht wie bei Kleingruppen in bar beglichen würden. Auch sei er als Arbeitnehmer nicht zur Führung einer Buchhaltung oder anderen Aufzeichnungen verpflichtet. Wenn von ihm Aufzeichnungen über Trinkgelder als Beweisvorsorge verlangt würden, käme dies einer verdeckten Aufzeichnungspflicht gleich. Im Übrigen habe der Prozessbevollmächtigte mehrere Kellner der A-GmbH als Mandanten vertreten und in elf dieser Fälle sei von anderen Finanzämtern die Zuschätzung auf 1,5 v.H. des Umsatzes reduziert worden.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung der Einkommensteuerbescheide vom 2. Dezember 2002 für die Jahre 1998, 1999, 2000 und 2001 in Form der Einspruchsentscheidung vom 26. April 2003 die Trinkgeldzuschätzungen auf 1,5 v.H. des auf den Kläger bezogenen Umsatzes herabzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA betont die Richtigkeit seiner Schätzung und verweist zur weiteren Begründung auf die Ausführungen in den Einspruchsentscheidungen. Die Schätzungen der Trinkgelder seien nicht überhöht und entsprächen der allgemeinen Lebenserfahrung. Durch die fehlenden Aufzeichnungen über die Trinkgelder habe der Kläger die Ungewissheit über die Höhe der Einnahmen selbst geschaffen und so den Anlass für die Schätzung gegeben. Den Kläger treffe deshalb auch den Nachteil aus der bei einer Schätzung verbleibenden Unsicherheit. Im Übrigen habe a...