rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung von Hinterziehungszinsen
Leitsatz (redaktionell)
1. Hängt die Rechtmäßigkeit eines Zinsbescheids davon ab, dass Steuern hinterzogen worden sind, so müssen zur Bejahung der Rechtmäßigkeit des Bescheids die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung vorliegen.
2. Das FA trägt insoweit die Feststellungslast.
Normenkette
AO § 235 Abs. 1 S. 1, § 370
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 2002 bis 2004 und zur Umsatzsteuer 2002 bis 2006.
Die Klägerin betrieb in den Jahren 2002 bis 2006 einen Gewerbebetrieb (Kurierdienste) und war insoweit auch unternehmerisch i.S. des § 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) tätig.
Im Rahmen einer betriebsnahen Veranlagung und einer Steuerfahndungsprüfung im Zeitraum 5. Dezember 2006 bis 10. Mai 2007, die die Einkommensteuer 2002 bis 2004 und die Umsatzsteuer 2002 bis September 2006 umfasste, stellte das Finanzamt fest, dass die Klägerin Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs bezogen und seit dem Jahr 2000 einen Kurierdienst unter mindestens fünf verschiedenen Firmen ausländischer Rechtsformen betrieben hatte (Bericht der betriebsnahen Veranlagung vom 10. Mai 2007 und der Steuerfahndungsprüfung vom 8. Oktober 2007). Die jeweiligen Zahlungseingänge erfolgten auch auf ein von der Klägerin für ihre damals zwölfjährige Tochter eingerichtetes Konto bei der Sparkasse. Im Zeitraum vom 28. Juli 2005 bis zum 23. Februar 2006 handelte es sich um Zahlungseingänge in Höhe von insgesamt 90.000 EUR von der Firma A GmbH & Co. KG. Die Klägerin, die über das Bankkonto ihrer Tochter verfügungsberechtigt war, brachte einen Teil der auf dem Konto aufgelaufenen Guthaben (44.000 EUR) aufgrund wiederholter Barabhebungen in ihren Verfügungsbereich.
In ihren für die Jahre 2002 und 2003 abgegebenen Einkommensteuererklärungen hatte die Klägerin keine Angaben zu einer gewerblichen Tätigkeit gemacht. Für die Jahre ab 2004 waren weder Einkommensteuer- noch Umsatzsteuererklärungen abgegeben worden. Das Finanzamt ging daher davon aus, dass die Klägerin vorsätzlich Steuern hinterzogen hatte.
Die Klägerin hatte am 8. März 2007 Rechtsanwalt E und Rechtsanwältin R mit ihrer rechtlichen Vertretung gegenüber Finanzämtern und Finanzgerichten bevollmächtigt. Am 2. Juli 2007 beschränkte sie die Vollmacht ausschließlich auf Rechtsanwalt E. Nachdem die Sachverhalte im Zusammenhang mit den Einkünften nicht oder nur unter verhältnismäßig hohem Aufwand feststellbar gewesen wären, einigten sich das Finanzamt und die damalige steuerliche Vertreterin der Klägerin, Rechtsanwältin R, am 10. Mai 2007 im Rahmen einer so genannten tatsächlichen Verständigung auf die Höhe der im Rahmen der Veranlagung der Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 2002 bis 2006 anzusetzenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb (vgl. BNV-Bericht vom 10. Mai 2007, Anlage 1 zum Fahndungsbericht vom 8. Oktober 2007).
Mit Steuerbescheid jeweils vom 30. Mai 2007 setzte das Finanzamt die Einkommen- und Umsatzsteuern für die Jahre 2002 bis 2006 entsprechend der Vereinbarung fest. Die dagegen eingelegten Einsprüche wurden nicht begründet und mit Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2007 als unbegründet zurückgewiesen. Der gegen den Antrag vom 27. Dezember 2011 auf Änderung der Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2006 gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 3. September 2012 abgelehnt. Die Klägerin hat keine Klagen gegen die Einspruchsentscheidungen vom 18. Oktober 2007 und 3. September 2012 erhoben. Mit Urteil vom 10. Dezember 2010 des Landgerichts wurde die Klägerin unter anderem wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt.
Mit Bescheid vom 22. November 2011 setzte das Finanzamt Hinterziehungszinsen nach § 235 Abgabenordnung (AO) für die in den Jahren 2002 bis 2004 hinterzogenen Einkommensteuern und für die in den Jahren 2002 bis 2005 sowie in den Monaten Januar bis September 2006 hinterzogenen Umsatzsteuern anhand der von der Buß- und Strafsachenstelle des Finanzamts übermittelten Beträge fest. Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren trug die Klägerin unter anderem vor, dass ihr aufgrund der tatsächlichen Verständigung zu Unrecht Einkünfte anderer Firmen und angebliche Gelder in der Schweiz zugerechnet worden seien. Außerdem habe ihre damalige Rechtsanwältin R im Zeitpunkt der tatsächlichen Verständigung keine Zulassung mehr als Rechtsanwältin gehabt und sei bereits in mehreren Fällen strafrechtlich verurteilt worden.
Das Finanzamt nahm im Einspruchsverfahren eine inhaltliche Überprüfung der Bemessungsgrundlage für die Hinterziehungszinsen vor. Nach vorheriger Ankündigung (Schreiben vom 2. Mai 2013) erhöhte das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2013 die Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer für 2002 auf 12 EUR, für 2003 auf 288 EUR und für 2004 auf 48 EUR bzw. setzte die Hinterziehungszinsen ...