rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Besuchsfahrten zu pflegedürftigen Eltern sind keine außergewöhnlichen Belastungen
Leitsatz (redaktionell)
Aufwendungen für Besuche bei erkrankten Verwandten können ausnahmsweise insoweit zwangsläufig sein als sie die Aufwendungen überschreiten, die der Steuerpflichtige auch ohne die Erkrankung üblicherweise ausgeführt hätte. Erforderlich ist jedoch eine rechtliche oder sittliche Pflicht, der sich der Steuerpflichtige nicht entziehen kann. Der weniger strenge Maßstab bei § 33b Abs. 6 EStG kann nicht auf § 33 Abs. 2 EStG übertragen werden.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1-2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
I.
Streitig ist der Abzug von Fahrten zu den betagten Eltern als außergewöhnliche Belastung.
Die Klägerin wird beim Beklagten – dem Finanzamt (FA) – zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.
In der ESt-Erklärung für 2002 machte die Klägerin Fahrten zu den betagten Eltern in Pforzheim als außergewöhnliche Belastung mit folgenden Beträgen geltend:
26 Fahrten * 276 Km * 0,60 EUR = 4.305,60 EUR
26 * 12 EUR Tagesspesen = 312 EUR
Das FA erkannte diese Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen an und ließ sie im ESt-Bescheid vom 25. Februar 2004 außer Ansatz. Im Einspruchsverfahren trug die Klägerin vor, es habe sich insgesamt um 34 Fahrten zum Zwecke einer intensiven Betreuung der Eltern gehandelt, von denen bereits 8 nicht geltend gemacht würden. Daraufhin forderte das FA Nachweise über die Pflegebedürftigkeit der Eltern und zum verwendeten Kfz an, sowie weitere Angaben zu den Lebensumständen der Eltern. Nachdem keine weitere Äußerung der Klägerin erfolgte, wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 21. Dezember 2005 als unbegründet zurück.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor,
die besuchten Eltern seien hochbetagt (geb. 1919 und 1920). Der Vater der Klägerin habe im Jahr 2001 eine schwere Lungenembolie gehabt, Folgeerkrankungen hätten dazu geführt, dass eine Schwerbehinderung von 90 v.H. mit dem Merkzeichen Rollstuhlfahrer festgestellt worden sei. Die Mutter sei rüstiger gewesen, trage jedoch seit 2001 einen Herzschrittmacher. Es sei zwingend erforderlich gewesen, im mindestens 14-tägigen Rhythmus nach Pforzheim zu fahren um die größeren Arbeiten zu erledigen, die die Einsatzkräfte der Mutter stiegen. Die Klägerin habe insbesondere den Vater gebadet, Wäsche gewaschen, für 14 Tage Lebensmittel und Getränke eingekauft, die Wohnung gründlich gereinigt und Schriftverkehr erledigt (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin an das FA vom 12. Februar 2006 verwiesen. Die Klägerin sei das einzige Kind gewesen und habe sich daher aus rechtlichen und sittlichen Gründen der Pflegemaßnahmen nicht entziehen können. Ein konkreter Nachweis der Fahrten könne nicht erbracht werden.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des ESt-Bescheids für 2002 vom 25. Februar 2004 in Gestalt der EE vom
21. Dezember 2005 die ESt für 2002 neu festzusetzen und dabei bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 4.617,60 EUR – vorbehaltlich eines Abzugs für die zumutbare Belastung – als außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist im Wesentlichen auf die EE und seine Stellungnahme vom 8. März 2006.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Das FA hat zu Recht die geltend gemachten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Sie waren nicht zwangsläufig.
1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), wird gemäß § 33 Abs. 1 EStG die Einkommensteuer – unter weiteren hier nicht zu erörternden Voraussetzungen – ermäßigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH; vgl. z. B. Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BStBl II 1990, 418) ist eine Belastung nur dann außergewöhnlich, wenn die Aufwendungen nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die typischen Aufwendungen der Lebensführung sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ungeachtet ihrer Höhe im Einzelfall ausgeschlossen.
Die Aufwendungen für Besuche zwischen nahen Angehörigen sind deshalb regelmäßig ebensowenig als außergewöhnlich, sondern typisierend als durch allgemeine Freibeträge und etwaige andere steuerliche Ermäßigungen abgegolten anzusehen wie Aufwendungen für sonstige Formen der Kontaktpflege etwa durch Telefongespräche (BFH-Urteil vom 22. Oktober 1996 III R 265/94, BStBl II 1997, 558). Das gilt auch, wenn der besuchte Angehörige erkrankt oder pflegebedürftig ist und Fahrten in kürzeren zeitlichen Abständen oder über größere Entfernungen durchgeführt werden. Denn es ist üblich und jedenfalls nicht im vorgenannten Sinn außergewöhnlich, wenn ein erkrankt...