rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrten zu den Eltern sind auch bei Gebrechlichkeit und altersbedingter Depression nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen

 

Leitsatz (redaktionell)

Besuchsfahrten zu den Eltern sind regelmäßig nicht außergewöhnlich. Auch wenn anlässlich der Fahrten einzelne Hilfeleistungen wie etwa Einkäufe, Pflegeleistungen durchgeführt werden und seelischer Beistand in schwierigen Familiensituationen bzw. zur Vorbeugung oder Abmilderung einer Depression erfolgen, übersteigen diese nicht das Maß des Üblichen.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Klägerin Fahrten zu ihrer Mutter ausreichend nachgewiesen hat und diesbezügliche Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung abziehen darf.

Die Klägerin wird beim Beklagten – dem Finanzamt (FA) – zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Sie wohnte im Streitjahr 2005 zusammen mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn in A bei Ingolstadt.

In ihrer ESt-Erklärung für 2005 beantragte sie den Ansatz der Aufwendungen für 60 Fahrten zur Pflege ihrer kranken Mutter in M als außergewöhnliche Belastung. Insgesamt betrugen die geltend gemachten Aufwendungen hierfür: 60 × 560 km (für Hin- und Rückfahrt) × 0,30 EUR/km = 10.080 EUR.

Zum Nachweis legte sie ein Attest der Hausärztin der Mutter vom 22. Januar 2004 bei, in dem diese eine chronische Herzinsuffizienz und schwere seelische Depressionen bescheinigt, die regelmäßige wöchentliche Besuche der Tochter erforderten. Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Attest verwiesen. Ähnliche Atteste waren auch schon in den Vorjahren eingereicht worden.

Zum Nachweis der erbrachten Fahrleistung legte die Klägerin eine Kundendienst-Rechnung vor, die am 15. Juni 2005 für den auf die Klägerin zugelassenen PKW VW-Golf einen Kilometerstand von 28.774 Km angibt, sowie eine nicht unterschriebene „Reparaturkalkulation” eines Kfz-Sachverständigen vom 11. Oktober 2006, die unter dem Datum 9. Oktober 2006 eine Tachometerstand von 62.193 Km ausweist. Weitere Fahrten seien mit einem BMW Z1 und dem Fahrzeug ihres Lebensgefährten durchgeführt worden. Nachweise für Kilometerstände existieren insoweit nicht. Im Übrigen legte die Klägerin ein Blatt mit selbst abgelesenen Kilometerständen vor.

Dem FA reichten dieser Vortrag und die eingereichten Belege nicht zum Nachweis der tatsächlichen Durchführung aus. Deshalb ließ es die streitigen Beträge außer Ansatz (ESt-Bescheid für 2005 vom 6. März 2007, Einspruchsentscheidung [EE] vom 12. August 2008).

Das FA stützte seine Ablehnung im Wesentlichen auf den fehlenden Nachweis der Zwangsläufigkeit der Fahrten. Das eingereichte Hausarztattest reiche hierfür nicht. Darüber hinaus drückte das FA seine Zweifel an der Darstellung der Klägerin aus, die es aus der Tatsache schöpfte, dass die Klägerin zur ESt 2001 als Nachweis der erbrachten Fahrleistung einen Veräußerungsvertrag über ihr damaliges Kfz eingereicht hatte, der nicht nur eine unzutreffend hohe Km-Leistung auswies, sondern vielmehr von der angeblichen Käuferin niemals geschlossen worden war.

Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor, die Fahrten seien wie erklärt durchgeführt worden. Zu den Familienverhältnissen bzw. der Pflegebedürftigkeit und Zwangsläufigkeit bietet sie Zeugenbeweis an. Die Klägerin sei die wichtigste Bezugsperson ihrer Mutter. Der Vater der Klägerin sei selbst pflegebedürftig (Pflegestufe 1). Der im Oktober 2006 verstorbene Bruder der Klägerin sei wegen psychischer Probleme in Behandlung gewesen und habe einen starken Alkoholkonsum gehabt, so dass die Mutter trotz ihrer Krankheit diesen und auch den Vater habe mitbetreuen müssen. Da die Klägerin diejenige in der Familie gewesen sei, die „etwas aus ihrem Leben gemacht habe”, habe der Hausarzt die Klägerin gebeten, die Mutter wenigstens einmal wöchentlich aufzusuchen und zu betreuen, um einem Suizid der Mutter vorzubeugen.

Die Klägerin beantragt,

den ESt-Bescheid für 2005 vom 6. März 2007 aufzuheben und die ESt auf 0,–EUR festzusetzen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es verweist im Wesentlichen auf die EE, ergänzt durch einen Schriftsatz vom 14. Januar 2009, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist nicht begründet.

Das FA hat zu Recht die geltend gemachten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Sie waren nicht zwangsläufig.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), wird gemäß § 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) die Einkommensteuer – unter weiteren hier nicht zu erörternden Voraussetzungen – ermäßigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH; vgl. z.B. Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BStBl II 1990, 418) ist eine Belastung nur dann außergewöhnlich, wenn die Aufwendungen...

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