rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage des Insolvenzverwalters gegen Nullbescheid ohne Berücksichtigung eines Verlusts des Gemeinschuldners unzulässig
Leitsatz (redaktionell)
Hat das Finanzamt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzte Steuerbescheide mit einer Steuerfestsetzung von jeweils 0 Euro gegen den Gemeinschuldner festgesetzt, so sind vom Insolvenzverwalter hiergegen erhobene Einsprüche auch dann mangels Beschwer unzulässig, wenn geltend gemacht wird, bei Nachreichung von Steuererklärungen würden sich nicht wie vom Finanzamt geschätzt Gewinne, sondern Verluste und somit Verlustvorträge für die Zukunft errechnen.
Normenkette
AO § 251 Abs. 2 S. 1, Abs. 3, §§ 350, 157 Abs. 2; InsO §§ 87, 38, 174 Abs. 1 S. 1; FGO § 40 Abs. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der während des Insolvenzverfahrens erlassenen Steuerbescheide.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 1. November 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Y. Der Beklagte (nachfolgend: das Finanzamt) erließ nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Einkommensteuerbescheid 2005 und den Gewerbesteuermessbescheid 2005 (jeweils vom 11. Juli 2007). Beide Bescheide beruhten auf Schätzungen, es wurde jeweils ein Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 10.000 EUR zugrunde gelegt. Im Einkommensteuerbescheid ergibt sich daraus ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 10.000 EUR, ein zu versteuerndes Einkommen von 6.964 EUR und eine Steuer von 0 EUR. Im Abrechnungsteil erfolgt keine Verrechnung. Der festgesetzte Gewerbesteuermessbetrag beträgt ebenfalls 0 EUR. Der Kläger legte gegen diese Bescheide Einspruch ein. Dieser wurde mit Einspruchsentscheidung vom 11. März 2008 als unzulässig verworfen.
Mit seiner dagegen erhobenen Klage bringt der Kläger im Wesentlichen vor, der Gemeinschuldner habe im Streitjahr tatsächlich Verluste erwirtschaftet. Die Klage sei zulässig, da trotz der Steuerfestsetzung auf 0 EUR ein rechtliches Interesse des Gemeinschuldners auf die zutreffende Erfassung seiner Verluste bestehe. Er begehre die Feststellung der entsprechenden Verlustvorträge. Zudem hätten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Steuerbescheide mehr ergehen dürfen, die Einkommensteuer 2005 hätte als Mitteilung festgesetzt werden können. Ferner sei eine Aufteilung der Besteuerungsgrundlagen sowie der Einkommensteuer für die Zeiträume vor und nach der Insolvenzeröffnung erforderlich gewesen. Die Schätzung sei unangemessen, da der Gemeinschuldner mit seinem Gewerbebetrieb Verluste erwirtschaftet habe und deshalb in Insolvenz gehen musste. Schließlich habe ihm als Insolvenzverwalter mehr Zeit für die Fertigung der rückständigen Steuererklärungen eingeräumt werden müssen. Bei Insolvenzeröffnung sei keine ausreichende Masse für die im Rahmen der Bearbeitung entstehenden Steuerberaterkosten vorhanden gewesen. Die Mittel hätten erst durch Verwertung der Masse erwirtschaftet werden müssen.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2005 und den Gewerbesteuermessbescheid 2005, jeweils vom 11. Juli 2007, sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 11. März 2008 ersatzlos aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es trägt vor, die Klage sei unzulässig, da es sich um Null-Bescheide handle. Eine Anmeldung zur Insolvenztabelle nach § 174 Insolvenzordnung (InsO) erfolge nur, soweit Steueransprüche Insolvenzforderungen seien. Ein Leistungsgebot über 0 EUR begründe keine Insolvenzforderung. Auch eine Aufteilung sei bei einer Steuerschuld von 0 EUR nicht erforderlich.
Die Beteiligten haben auf die mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
a) Der Kläger war als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Gemeinschuldners zur Erhebung der Klage befugt (§ 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Die Verfügungsbefugnis eines Insolvenzverwalters nach § 80 Abs. 1 InsO umfasst auch die Wahrnehmung der Interessen der Insolvenzmasse gegenüber dem Finanzamt (Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 26. Juli 2004 X R 30/04, BFH/NV 2004, 1547; vom 24. August 2004 VIII R 14/02, BFHE 207, 10, BStBl II 2005, 246).
b) Aus § 251 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) und § 87 InsO wird in ständiger Rechtsprechung abgeleitet, dass Steuerbescheide nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ergehen dürfen (BFH-Urt. vom 18. Dezember 2002 I R 33/01, BFHE 201, 392, BStBl II 2003, 630; s. zur Rechtslage nach der Konkursordnung (KO) auch BFH-Urt. vom 2. Juli 1997 I R 11/97, BFHE 183, 365, BStBl II 1998, 428; BFH-Urteil in BFHE 207, 10, BStBl II 2005, 246). Der Steuergläubiger ist gehalten, Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nach den Maßgaben des Insolvenzrechts zur Tabelle anzumelden (§§ 38, 174 Abs. 1 Satz 1 InsO; § 251 Abs. 3 AO), um an der gemeinschaftlichen Befriedigung im Insolvenzverfahren teilzunehmen. Ein förmlicher Steuerbescheid über einen Steueranspruch, der ei...