Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Altlasten bei der Bewertung von unbebauten Grundstücken. Einheitswert des Grundvermögens
Leitsatz (amtlich)
Die Belastung eines unbebauten Grundstücks mit Bodenverunreinigungen haben einen erheblichen Einfluss auf den Verkehrswert und sind bei der Bewertung wertmindernd zu berücksichtigen (entgegen FG Nürnberg vom 18.1.1996 IV 50/94, EFG 1996, 525). Dabei ist der gebotene Abschlag nicht nur in Höhe der zu erwartenden Sanierungskosten zu bemessen.
Normenkette
BewG § 72 Abs. 1, § 9 Abs. 1-2, § 17 Abs. 3, § 6 Abs. 1
Tenor
1. Der Änderungsbescheid vom 17.7.1997 und der Aufhebungsbescheid vom 24.9.1997 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.1.1998 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Gründe
I.
Streitig ist, ob bzw. in welchem Umfang sog. Altlasten bei der Einheitsbewertung zu berücksichtigen sind.
Der Kläger ist Eigentümer der unbebauten Grundstücke FlNrn. 1 (663 qm) und 2 (669 qm) in der Gemarkung … auf denen früher von der Y. eine Tankstelle betrieben worden war. Die Grundstücke waren zunächst wie folgt bewertet:
FlNr. 1 Wertfortschreibung auf den 1.1.1974 auf 11.500 DM anhand eines qm-Preises von 25 DM und Gewährung eines Abschlags in Höhe von 5.000 DM wegen noch erforderlicher Restabbrucharbeiten; FlNr. 2 Hauptfeststellung auf den 1.1.1964 auf 16.700 DM anhand eines qm-Preises von 25 DM.
Am 1.2.1995 beantragte der Kläger, aufgrund der seit 1971 bestehenden Kontaminierung der Grundstücke mit Treibstoff, die Einheitswerte ab 1992 herabzusetzen. Mit bestandskräftig gewordenen vorläufigen Wertfortschreibungsbescheiden vom 23.3.1995 (Bl. 42 FA-Akte I bzw. Bl. 23 FA-Akte II) führte der Beklagte (Finanzamt = FA) auf den 1.1.1992 Wertfortschreibungen für die FlNr. 1 auf 4.900 DM und für die FlNr. 2 auf 10.000 DM durch. Es ging hierbei von einem wegen der Bodenverunreinigung um 40 v. H. auf 15 DM ermäßigten qm-Wert aus.
In den vorliegenden Akten befinden sich hinsichtlich der Bodenverunreinigung u. a. folgende Unterlagen:
- Schreiben des Gewerbeaufsichtsamts … an die Stadt X. vom 25.9.1991 (Bl. 66 FA-Akte I), dass die ordnungsgemäße Stillegung der Kraftstofflagertanks auf den streitbefangenen Grundstücken noch nicht bekannt sei. Entsprechende Maßnahmen seien mit Nachdruck gegenüber dem Kläger durchzusetzen. Damit könne nicht bis zur geplanten Bebauung mit einem Supermarkt gewartet werden.
- Aufhebung eines Verkaufs vom 7.5.1993 am 30.11.1993 aufgrund der Schadstoffbelastung (vgl. Bl. 31 FA-Akte I).
- Bescheid der Stadt X. vom 13.4.1994 (Bl. 34 FA-Akte I), mit dem die Y. zur Sanierung der festgestellten Boden- und Grundwasserverunreinigung aufgefordert wird.
- Schreiben der Y. vom 20.6.1996 (Bl. 50 FA-Akte I), dass die bisherigen Sanierungskosten 52.584 DM betragen hätten.
- Schreiben des Wasserwirtschaftsamts an die Stadt X. vom 20.1.1997 (Bl. 54 FA-Akte I), wonach aus wasserwirtschaftlicher Sicht aufgrund des vorliegenden Kenntnisstandes derzeit kein weiterer Untersuchungs- bzw. Sanierungsbedarf gegeben sei. Erdarbeiten auf dem Grundstück sollten aber überwacht werden (vgl. auch Schreiben des Wasserwirtschaftsamts vom 16.1.1996, Bl. 56 FA-Akte I).
- Schreiben der Sparkasse X. vom 27.2.1997 an den Kläger (Bl. 53 FA-Akte I), in dem diesem mitgeteilt wird, dass aufgrund der Feststellungen des Wasserwirtschaftsamts das Grundstück als Sicherheit für einen Kredit derzeit nicht verwendet werden könne, weil weitere Untergrundverunreinigungen nicht ausgeschlossen werden könnten.
- Schreiben der Stadt X. an das FA vom 9.9.1997, dass zwar derzeit kein weiterer Untersuchungs- bzw. Sanierungsbedarf gegeben sei. Das Vorhandensein von sanierungsbedürftigen Boden- und Grundwasserverunreinigungen sei somit unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.
Das FA vertrat daraufhin die Auffassung, dass gemäß dem FMS vom 13.2.1988 (Bew-Kartei § 88 Karte 5) ein Abschlag nur im Verhältnis der Sanierungskosten zum Stichtags-Verkehrswert des Grund und Bodens (lt. Richtwertkarte 450 DM/qm) in Betracht komme. Mit für endgültig erklärtem Bescheid vom 17.7.1997 (Bl. 60 FA-Akte I) änderte es gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO den Wertfortschreibungsbescheid vom 23.3.1995 auf den 1.1.1992 dahin, dass der Einheitswert für die FlNr. 1 nunmehr auf 10.000 DM festgestellt wurde. Es hielt nunmehr einen Wertansatz in Höhe von 22,75 DM/qm für angemessen, wobei es wiederum einen Abschlag von 5.000 DM für noch vorzunehmende Abbrucharbeiten vornahm. Für die FlNr. 2 hob das FA mit Bescheid vom 24.9.1997 (Bl. 28 FA-Akte II) die Wertfortschreibung auf den 1.1.1992 vom 24.9.1997 auf, weil bei einem Ansatz von 22,75 DM/qm die Wertfortschreibungsgrenze gegenüber dem auf den 1.1.1964 festgestellten Einheitswert nicht erreicht wurde.