Entscheidungsstichwort (Thema)

Auszahlung einer Kapitallebensversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Kommt eine Kapitallebensversicherung nach dem Tod eines Ehegatten an den bezugsberechtigten anderen Ehegatten zur Auszahlung, so erfolgt der originäre Erwerb des Bezugsberechtigten (§§ 330, 331 BGB) aufgrund einer Zuwendung auf den Todesfall, die bei einer Aufteilung der Gesamtschuld (aus der Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer) nach § 278 Abs. 2 AO keine Vollstreckungsbeschränkung bewirkt.

 

Normenkette

AO § 278 Abs. 2; BGB §§ 330-331; VVG § 166

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin wegen Zuwendungen ihres Ehemanns über den Teil hinaus für rückständige Abgaben in Anspruch genommen werden darf, der auf sie aus der Aufteilung der Gesamtschuld, die aus der Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer herrührt, trifft.

Die Klägerin ist gemeinsam mit ihren beiden minderjährigen Kindern Erbin ihres am 25. November 1997 verstorbenen Ehemanns. Mit Bescheid vom 06. August 1999 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemanns für 1997 auf 28.470,– DM fest.

Am 16. Dezember 1999 erging auf Antrag der Klägerin ein Aufteilungsbescheid nach §§ 270, 279 AO, in dem von den rückständigen Abgabenbeträgen 90 v. H. dem verstorbenen Ehemann zugewiesen wurden. Gegen eine Inanspruchnahme hierfür als Erbin machte die Klägerin die Beschränkung der Erbenhaftung auf den Nachlass gemäß § 45 Abs. 2 AO i. V. m. §§ 1975 ff, § 1990 BGB (sog. Dürftigkeitseinrede) geltend. Bei der Überprüfung der Voraussetzungen ergab sich, dass der Nachlass selbst (nach dem beim Amtsgericht eingereichten Nachlassverzeichnis) zwar überschuldet war, dass die Klägerin aber dessen ungeachtet Ansprüche aus verschiedenen Lebensversicherungen ihres verstorbenen Ehemanns hatte, die in der Folgezeit an sie im Gesamtumfang von 240.135,51 DM (so im Schriftsatz der Vertreter der Klägerin an das Finanzamt vom 23. September 1999 bzw. i. H. v. 240.134,51 DM nach dem Schriftsatz vom 04. Januar 2001 zur Klagebegründung) ausgezahlt wurden.

Der Beklagte bewertete die Ansprüche gegen die Lebensversicherungsunternehmen als unentgeltliche Zuwendung von Vermögensgegenständen, nahm die Klägerin mit Bescheid vom 28. August 2000 gemäß § 278 Abs. 2 AO für den im Aufteilungsverfahren auf ihren verstorbenen Ehemann entfallenden Abgabenrückstand (nach Aktenlage insgesamt 17.821,01 DM – 0,09 DM Umsatzsteuer 1996 = 17.820,92 DM) in Anspruch und verrechnete in der Anlage zum Bescheid auf den Gesamtrückstand ein Guthaben aus der Veranlagung zur Einkommensteuer 1998 in Höhe von 2.333,79 DM.

Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 07. Dezember 2000).

Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen geltend gemacht: Ziel des § 278 Abs. 2 AO sei es, zu verhindern, dass ein Gesamtschuldner die Vollstreckung von Steuerforderungen dadurch unterlaufe, dass er unentgeltlich sein Vermögen auf einen anderen Gesamtschuldner übertrage, auf den bei der Aufteilung ein geringerer Steuerbetrag entfallen sei. Ein derartiges kollusives Verhalten scheide im Streitfall von vornherein aus, weil die Klägerin lange Jahre vor dem Tod ihres Ehemanns bzw. vor der Aufteilung der Abgabenrückstände bei den Lebensversicherungen als Bezugsberechtigte eingesetzt worden sei. Aus demselben Grund sei auch die weitere Voraussetzung von § 278 Abs. 2 AO, dass die unentgeltliche Vermögenszuwendung in oder nach dem Veranlagungszeitraum, für den noch Steuerrückstände bestünden, erfolgt sein müsse, nicht erfüllt. Sonst ergäbe sich das merkwürdige Ergebnis, dass im Tod des Versicherungsnehmers eine Zuwendung im Sinne des § 278 Abs. 2 AO zu sehen wäre.

§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG, d. h. die Steuerpflicht von Leistungen der Lebensversicherung an den Bezugsberechtigten bei der Erbschaftssteuer könne nicht zur Auslegung von § 278 Abs. 2 AO herangezogen werden, weil dort eine gänzlich andere Zielrichtung verfolgt werde, nämlich Vermögensverschiebungen zwischen zwei ehemaligen Gesamtschuldnern zu verhindern.

Für den Begriff der Zuwendung gelte die Legaldefinition des § 516 Abs. 1 BGB. Danach setze eine Zuwendung eine Bereicherung und die Einigung voraus, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolge. Das Bezugsrecht sei der Klägerin in den Lebensversicherungsverträgen nicht unwiderruflich eingeräumt worden. Dies habe für die Klägerin lediglich eine ungesicherte Hoffnung, aber noch keine Vermögensvermehrung bewirkt.

Im Eintritt des Versicherungsfalles könne keine Zuwendung gesehen werden. Zwar wachse dem Bezugsberechtigten der Anspruch auf Leistung aus der Lebensversicherung in diesem Zeitpunkt zu; dies aber ausschließlich aufgrund des früher geschlossenen Vertrages. § 278 Abs. 2 AO wäre daher nur dann auf den Bezugsberechtigten anwendbar, wenn der Vertrag zugunsten des Dritten, d. h. des Bezugsberechtigten innerhalb der Fristen des § 278 Abs. 2 AO geschlossen worden wäre. Etwas anderes...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge