Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindungszahlungen einer Kapitalgesellschaft an einen weder lästigen noch wesentlich beteiligten Gesellschafter als verdeckte Gewinnausschüttung; Sitz der Geschäftsleitung einer Gesellschaft; Zulässigkeit eines Antrages auf Hinzuziehung der Verfahrensakten eines Dritten
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufwendungen einer Kapitalgesellschaft, die als Abfindung eines Gesellschafters für dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft gezahlt werden, können nur dann betrieblich veranlasst sein und damit der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung entgegenstehen, wenn sie dazu dienen, einen der Kapitalgesellschaft (nicht den Gesellschaftern) lästigen und wesentlich beteiligten Gesellschafter zum Ausscheiden zu bewegen.
2. Ausführungen zum Sitz der Geschäftsleitung einer Gesellschaft.
3. Eine Hinzuziehung der Verfahrensakten eines Dritten als Beweismittel kann nur in Betracht kommen, wenn in diesen Akten wiederum Beweismittel (unter Umständen auch Beweisergebnisse wiederum anderer Verfahren) enthalten sein sollen, nicht wenn die in diesem Verfahren gemachten Beweisangebote auch das streitige Verfahren betreffen und es sich somit um einen Antrag an das Gericht handelt, weitere Beweise zu ermitteln.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2; AO 1977 § 10; FGO §§ 81, 76 Abs. 1 S. 1
Gründe
I.
In der Sache ist bereits ein Gerichtsbescheid ergangen. Der Gerichtsbescheid ist im Sachverhalt insoweit zu berichtigen, als bei der Klägerin keine zweite Steuerfahndungsprüfung stattgefunden hat, sondern im Rahmen der Prüfung lediglich eine vorläufige und später eine endgültige Gewinnermittlung durchgeführt wurde (s. S. 6 3. Absatz).
Auf Antrag der Klägerin hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Wegen der Anträge und Ausführungen der Beteiligten wird auf die Niederschrift verwiesen.
Der Senat hält auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung an seiner im Gerichtsbescheid vertretenen Auffassung fest und verweist zur Begründung auf diesen (§ 90 a Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Ergänzend dazu bemerkt er das folgende:
Die Klägerin hat bereits in ihrer schriftlichen Klagebegründung vom 21. August 1996 Antrag auf Beiziehung der Akten der Gerichtsverfahren 1 K 743/91 und 1 V 744/91 gestellt. Diese Verfahren betrafen die persönliche Einkommensteuerveranlagung von Herrn …. Es ging um die Frage, ob Herrn … die Einkünfte aus der Geschäftstätigkeit der …, der Klägerin des jetzigen Verfahrens, unmittelbar zuzurechnen seien, weil deren Zwischenschaltung als unbeachtlich anzusehen sei. Mit dem Antrag auf Beiziehung der Akten sollte unter Beweis gestellt werden, daß die Klägerin keine Scheingesellschaft, sondern eine aktiv am Wirtschaftsleben beteiligte Gesellschaft mit mehreren eigenständigen Gesellschaftern sei. Nachdem dies im vorliegenden Klageverfahren, in dem die streitigen Einkünfte gerade der Klägerin zugerechnet worden sind, nicht mehr in Frage steht, erscheint das Beweisangebot für das vorliegende Verfahren überholt. Auf den entsprechenden Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Hinzuziehung der Akten aber nunmehr mit der Begründung beantragt, die in diesem Verfahren gemachten Beweisangebote beträfen auch die im vorliegenden Verfahren streitige Frage des „Schwerpunkts der Geschäftstätigkeit” bzw. des „Sitzes der Geschäftsleitung in …”.
Eine Hinzuziehung von (Gerichts-)Akten anderer Verfahren als Beweismittel kann aber nur in Betracht kommen, wenn in diesen Akten wiederum Beweismittel (unter Umständen auch Beweisergebnisse wiederum anderer Verfahren) enthalten sein sollen. In diesem Sinne sollen die Akten nach dem Wortlaut der gestellten Anträge aber nicht zur Verwertung von darin enthaltenen Beweismitteln in das vorliegende Verfahren eingeführt werden. Vielmehr sollte der Antrag eine Wiederholung der bereits gestellten Beweisanträge ersetzen. Dies rechtfertigt aber nicht die Hinzuziehung von Akten des Verfahrens eines Dritten mit dem damit verbundenen Eingriff in dessen persönliche Sphäre. In Wirklichkeit handelt es sich bei dem Antrag der Klägerin nicht um einen Beweisantrag, sondern lediglich um einen Antrag an das Gericht, weitere Beweise (wie sie von der Klägerin in anderen Verfahren angeboten worden sind) zu ermitteln. Dies ist aber nicht Aufgabe des Gerichts im vorliegenden Verfahren (vgl. dazu auch Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 81 FGO Tz. 37). Bezugnahmen auf früheres Vorbringen sind nur insoweit möglich, als sie Ausführungen bzw. Anträge betreffen, die sich in den dem Gericht gemäß § 86 FGO vorzulegenden Finanzamtsakten befinden (vgl. zu Bezugnahmen auch Gräber/von Groll, Kommentar zur FGO, 4. Aufl., § 65 Anm. 20; Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 65 FGO Tz. 4).
Selbst wenn man (wie dies die Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nahelegen) zugunsten der Klägerin den Beweisantrag in dem Sinne verstehen wollte, daß in den beizuziehenden Akten Schriftverkehr entha...