rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den „wirtschaftlichen Arbeitgeberbegriff” bei Anwendung der „183-Tage-Regelung” i. S. der DBA. Einkommensteuer 1995, 1996
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einer lediglich kurzfristigen nichtselbständigen Tätigkeit (bis zu 183 Tage im Jahr) steht dem Staat, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, das Besteuerungsrecht nicht zu, wenn die Entlohnung dieser Tätigkeit von oder für einen nicht in seinem Staatsgebiet ansässigen Arbeitgeber erfolgt, und wenn die Vergütungen des Arbeitnehmers nicht von einer in seinem Staatsgebiet gelegenen Betriebsstätte (des im Ausland ansässigen) Arbeitgebers getragen werden.
2. Insoweit ist für die Doppelbesteuerungsabkommen ein wirtschaftlicher, mit dem Lohnsteuerrecht nicht identischer Arbeitgeberbegriff maßgeblich, wonach als Arbeitgeber derjenige Unternehmer zu verstehen ist, der die Vergütungen für die ihm geleistete unselbständige Arbeit wirtschaftlich trägt, sei es, dass er die Vergütungen unmittelbar dem betreffenden Arbeitgeber auszahlt, sei es, dass ein anderes Unternehmen für ihn mit diesen Arbeitsvergütungen in Vorlage tritt. Der wirtschaftliche Arbeitgeberbegriff beschränkt sich nicht alleine auf den Vergütungsvorgang, sondern setzt auch besondere Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und unselbständig Tätigem voraus.
3. Ist der unbeschränkt steuerpflichtige, bei einer deutschen Tochter-GmbH eines US-amerikanischen Konzerns als Geschäftsführer angestellte, für andere europäische Schwestergesellschaften verantwortliche und weisungsbefugte Manager jeweils nur für einige Tage im Jahr in diesen Ländern tätig, so ist der auf diese Auslandstätigkeit entfallende Arbeitslohn auch dann voll im Inland steuerpflichtig, wenn sämtliche der Kostenstelle des Klägers nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen pauschal im Rahmen einer allgemeinen Kostenumlage zugeordneten Kosten den ausländischen Gesellschaften anteilig in Rechnung gestellt werden, und wenn der Kläger zudem keine organschaftliche Stellung innerhalb der Auslandsgesellschaften hat.
Normenkette
OECD-Musterabkommen Art. 15 Abs. 2; EStG § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 4
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 30.04.2003; Aktenzeichen I R 6/03) |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger (Kl) werden als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. In ihren gemeinsamen Einkommensteuererklärungen 1995 und 1996 erklären sie u. a. nichtselbständige Einkünfte des Kl als Geschäftsführer der M. GmbH (M-GmbH).
Strittig ist, ob die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) für einen Teil dieser Einkünfte eine Steuerbefreiung (mit Progressionsvorbehalt) bewirkt.
Für 1995 erklären die Kl ein Jahresgehalt des Kl in Höhe von 605.412 DM. Ausgehend von 220 vereinbarten Arbeitstagen in 1995 errechnen sie hieraus einen auf 37 Arbeitstage im Ausland (7 Tage Frankreich, 6 Tage Dänemark, 7 Tage Italien, 8 Tage Schweiz, 9 Tage Spanien) entfallenden Teilbetrag von 101.819 DM, für den sich nach den einschlägigen DBA eine Steuerbefreiung (unter Progressionsvorbehalt) ergebe.
Das damals zuständige Finanzamt H. veranlagte die Kl insoweit erklärungsgemäß und forderte im unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Abgabenordnung –AO–) stehenden Einkommensteuerbescheid 1995 vom 3.7.1997 eine Bescheinigung des Arbeitgebers über die Weiterbelastung der Gehaltsteile an die ausländischen Arbeitgeber an. Auf die hierzu eingereichte Bescheinigung vom 16.7.1997, in der die M-GmbH erklärt, die Beträge (einschließlich Gehalt), mit denen die Kostenstelle des Kl belastet werde, würden an Tochtergesellschaften im Ausland weiter belastet, wird Bezug genommen.
Für 1996 erklären die Kl einen steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn des Kl in Höhe von 1.207.715 DM und einen nur dem Progressionsvorbehalt unterliegenden steuerfreien Arbeitslohn in Höhe von 100.963 DM. Der gesamte Arbeitslohn (steuerpflichtig und steuerfrei) setzt sich aus einem auf der Lohnsteuerkarte bescheinigten Gehalt von 599.730 DM, einem Gehalt lt. amerikanischer Lohnsteuerkarte (W-2) in Höhe von 2.223 DM und einem Gewinn aus der 1996 ausgeübten Option hinsichtlich in den Vorjahren von der amerikanischen Muttergesellschaft der M-GmbH – der M. I. (MI) – gewährten „Stock-Options” in Höhe von 684.259 DM zusammen.
Den steuerfreien Anteil des Arbeitslohnes errechnen die Kl, indem sie zunächst für den Zeitraum zwischen den jeweiligen Optionseinräumungen und -ausübungen eine tageweise Zuordnung der sich aus den Optionsausübungen ergebenden Gewinne vornehmen. Die anschließend für die einzelnen Kalenderjahre 1989 (erstmalige Optionsgewährung) bis 1996 zusammengefassten Einzelbeträge werden sodann entsprechend dem Anteil der jährlich vereinbarten Arbeitstage zu im Ausland verbrachten Arbeitstagen, für die sich aus den DBA eine Steuerbefreiung ergebe, aufgeteilt. Als „steuerfreie Auslandsarbeitstage” werden hierbei für 1990 37 Tage in den USA, für 1991 3 Tage Norwegen, ...