Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA)
Leitsatz (redaktionell)
VZTAe sind aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht erfüllt waren. Das ist der Fall, wenn die zu tarifierenden Waren nicht Gegenstand einer Amtshandlung durch Zollstellen werden, für die die Tarifierung von Bedeutung wäre.
Normenkette
ZK Art. 12 Abs. 2
Tenor
1. Die verbindlichen Zolltarifauskünfte DE M/1717/05-1, DE M/1718/05-1, DE M/1719/05-1 jeweils vom 27. April 2005 und die Einspruchsentscheidung werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Tarifierung von sog. „Nikotin-Schaumwafer”.
Die Klägerin beantragte am 20. Januar 2005 bei der Oberfinanzdirektion Nürnberg – Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt München (ZPLA) die Erteilung von drei verbindlichen Zolltarifauskünften (vZTAe) über drei als „Nicotin-Schaumwafer 4,0 mg Nikotin”, „Nicotin-Schaumwafer 1,0 mg Nikotin” und „Nicotin-Schaumwafer 0,25 mg Nikotin” bezeichneten Waren und begehrte die Einreihung als „andere Arzneiware, nicht in Aufmachung für den Einzelverkauf” in die Unterpos. 3004 9099 der Kombinierten Nomenklatur (KN). Die Klägerin gab an, dass sich ihr Antrag auf eine tatsächlich geplante Einfuhr bzw. Ausfuhr beziehe.
Bei den str. Waren handelt es sich um hellblaue, dünne, rechteckige Plättchen, die einzeln in Siegelrandbeuteln verpackt sind. Die Waren enthalten Nicotine bitartrate (0,740, 2,960 bzw. 11,840 mg), Polyvinyl Alcohol (20,625, 20,625 bzw. 21,000 mg), Menthol (1,125, 1,125 bzw. 1,181 mg), Peppermint (4,381, 5,160 bzw. 7,843 mg), Sucralose (0,125, 0,125 bzw. 0,131 mg) und FD&C Blue No.1 (0,004, 0,005, bzw. 0,005 mg). Den Angaben des Herstellers zufolge dienen sie der Raucherentwöhnung. Hierzu wird ein Nikotin-Wafer auf die Zunge gelegt und unmittelbar darauf der Mund geschlossen. Die Ware löst sich in der im Mundraum befindlichen Speichelflüssigkeit innerhalb von deutlich weniger als einer Minute rückstandslos auf. Das dabei freiwerdende Nikotin dringt über die Mundschleimhäute in die Blutbahn und wird vom Kreislaufsystem in kürzester Zeit zu den Nikotinrezeptoren im Gehirn befördert. Die geringe Menge an aufgelösten Hilfsstoffen fließt mit der Speichelflüssigkeit in die Speiseröhre ab, ohne dass es dazu eines bewussten Schluckaktes bedarf.
Mit den vZTAen DE M/1717/05-1, DE M/1718/05-1, DE M/1719/05-1 jeweils vom 27. April 2005 reihte die Beklagte die str. Waren als „Lebensmittelzubereitung, anderweit weder genannt noch inbegriffen, keine der Unterpos. 2106 1020 bis 2106 9059, kein Milchfett, weniger als 5 GHT Saccharose oder Isoglucose und keine Stärke oder Glucose enthalten” in die Unterpos. 2106 9092 KN ein.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung (EE) vom 25. August 2005 Klage, mit der sie im Wesentlichen Folgendes geltend macht:
Bei der Ware handele es sich arzneimittelrechtlich nach Art. 1 Nr. 2 der Richtl. 2001/83, zuletzt geändert durch Richtlinie 2004/27, um ein Arzneimittel, weil es sich um Stoffe oder Stoffzusammensetzungen handele, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden könnten, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Die Verwendung von Nikotin als toxische Substanz sei bei der Klassifizierung als Lebensmittel nach §§ 5 und 6 des deutschen Lebensmittelgesetzes und Art. 14 der VO Nr. 178/2002 ausgeschlossen. Die Nikotinsucht werde national und international als eine Krankheit angesehen. Entscheidend für die Einordnung als Arzneiware seien die Wirkstoffe, nicht die Darreichungsform. Wie bei dem durch den Beschluss des EuGH Rs. C-206/03 als Arzneiware anerkannten Nikotinpflaster werde der Wirkstoff durch die Haut transportiert, dort die Außenhaut, hier die Mundschleimhaut.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der verbindlichen Zolltarifauskünfte DE M/1717/05-1, DE M/1718/05-1, DE M/1719/05-1 jeweils vom 27. April 2005 die OFD Nürnberg zu verpflichten, den Antrag der Klägerin vom 20. Januar 2005 der OFD Köln zur Erteilung von verbindlichen Zolltarifauskünften zu übersenden, in denen die Waren „Nicotin-Schaumwafer 4,0 mg Nikotin”, „Nicotin-Schaumwafer 1,0 mg Nikotin” und „Nicotin-Schaumwafer 0,25 mg Nikotin” in die Unterposition 3004 9099 der KN einzureihen sind.
Die OFD beantragt
Klageabweisung
und bezieht sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in der EE. Bei der Einreihung in den Zolltarif als Arzneiware komme es nicht entscheidend darauf an, ob eine Ware nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften als Arzneimittel eingestuft werde. Zolltariflich stelle die Raucherentwöhnung keine Therapie einer Krankheit dar. Daher würde nach HS-Avis (Rz 21.0 zu Pos. 2106) nicotinhaltige Kaugummi nicht als Arzneiwaren, sondern als Lebensmittelzubereitungen eingereiht. Die str....