Entscheidungsstichwort (Thema)

Anlaufhemmung der Festsetzungsverjährung nach § 16 a GrEStG a.F.

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anlaufhemmung nach § 16 a Satz 2 GrEStG a.F. setzt voraus, daß das Finanzamt von der Aufgabe des begünstigten Zwecks keine Kenntnis hatte. Blieb das Finanzamt nach Ablauf des 10-Jahreszeitraums innerhalb der vierjährigen Überwachungsfrist untätig, tritt keine weitere Anlaufhemmung ein.

 

Normenkette

GrESWG Art. 1 Nr. 1a, Art. 3 Abs. 3; GrESWDB Art. 13 Abs. 1; GrEStG a.F. § 16 a

 

Gründe

Streitig ist, ob hinsichtlich eines Grunderwerbsteueranspruchs Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Mit notariellem Vertrag vom 21.9.1981 (Bl. 4 FA-Akte) erwarben der Kläger und seine Ehefrau eine ca. 500 qm große Teilfläche aus dem Grundstück FlNr … in der Gemarkung … zum Kaufpreis von 245 DM/qm.

Antragsgemäß stellte der Beklagte (Finanzamt = FA) mit vorläufigem Feststellungsbescheid vom 22.2.1982 (Bl. 3 FA-Akte) den Erwerb nach Art. 1 Nr. 1 a GrESWG von der Grunderwerbsteuer frei. In dem Bescheid wurde u. a. ausdrücklich auf die Verpflichtung hingewiesen, dem FA unverzüglich (binnen zwei Wochen) Anzeige zu erstatten, wenn bei Ablauf der Zehn-Jahresfrist der begünstigte Zweck noch nicht herbeigeführt ist.

Anlässlich eines Telefonats erfuhr das FA am 1.2.1993 (Bl. 16 FA-Akte) vom Kläger, dass das Grundstück bislang nur mit zwei nicht grundsteuerbegünstigten Garagen bebaut worden ist.

Mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 30.9.1996 (Bl. 1/Bl. 2 FA-Akte) erhob das FA beim Kläger und seiner Ehefrau Grunderwerbsteuer in Höhe von je 4.656,15 DM nach und setzte zugleich einen Nacherhebungszuschlag in Höhe von je 465,60 DM fest.

Mit seinem Einspruch machte der Kläger geltend, dass bereits mit Ablauf des Jahres 1995 Festsetzungsverjährung eingetreten sei, weil die Nacherhebungssteuer im Jahre 1991 entstanden sei. Grundsätzlich schiebe zwar die Nichtabgabe der Anzeige den Beginn der Festsetzungsfrist hinaus. Nach der Rechtsprechung des BFH gelte dies nach dem Normzweck jedoch dann nicht, wenn der Vorgang dem FA in einer Weise bekannt werde, dass es prüfen könne, ob ein steuerpflichtiger Tatbestand erfüllt sei oder nicht. Ab dem Ablauf der Zehn-Jahresfrist sei das FA ohne weiteres in der Lage gewesen zu prüfen, ob die Steuer nachzuerheben sei. Nach Ablauf der Zehn-Jahresfrist komme es auf eine Anzeige nicht mehr an (BFH-Urteile vom 1.9.1976 II R 39/76, BStBl II 1977, 123, vom 21.6.1995 II R 11/92, BStBl II 1995, 802 und vom 30.10.1996 II R 70/94, BStBl II 1997, 11). Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auf die gleichlautenden Einspruchsentscheidungen vom 28.1.1998 (Bl. 38 und 44 FA-Akte) wird vorab Bezug genommen. Das FA verwies darauf, dass nach § 16 a GrEStG wegen Nichtabgabe der vorgeschriebenen Anzeige die Festsetzungsfrist erst fünf Jahre nach Entstehung der Nacherhebung begonnen habe. Die vom Kläger zitierte BFH-Rechtsprechung sei in der Streitsache nicht einschlägig.

Mit seiner Klage beantragt der Kläger, den angefochtenen Nacherhebungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.

Er hält daran fest, dass Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Zur Begründung wiederholt er im wesentlichen sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Das FA habe auch ohne Anzeige bis zum 31.12.1995 Zeit gehabt, die Steuer nachzuerheben. Die Anwendung des § 16 a GrEStG sei nach seinem Sinn und Zweck in der Streitsache nicht gerechtfertigt.

Das FA beantragt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung, die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II.

Die Klage ist begründet.

Die vorläufige Freistellung eines Erwerbs nach Art. 1 Nr. 1 a GrESWG hat nach der ständigen BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschluss vom 18.12.1991 II B 91/91, BFH/NV 1992, 771), der sich der Senat stets angeschlossen hat und von der abzuweichen er auch in der Streitsache keinen Anlass sieht, Tatbestandswirkung dahingehend, dass sowohl die Entstehung der Grunderwerbsteuer als auch die Überprüfung für die materiell endgültige Steuerbefreiung hinausgeschoben wird. Ist das erworbene Grundstück nicht innerhalb von zehn Jahren zu dem begünstigten Zweck verwendet worden, so unterliegt mit Ablauf von zehn Jahren der Erwerb der Grunderwerbsteuer. Zu diesem Zeitpunkt entsteht die Nacherhebungssteuer und das FA darf und muss nun prüfen, ob ein Nacherhebungstatbestand verwirklicht ist, die umfassende rechtliche Überprüfung ist bis zu diesem Zeitpunkt hinausgeschoben (vgl. BFH-Urteil vom 22.7.1987 II R 172/85, BFH/NV 1989, 254).

Mit der Entstehung der Nacherhebungssteuer beginnt regelmäßig die Festsetzungsfrist (vgl. BFH-Urteile vom 19.7.1995 II R 38/92, BFH/NV 1996, 352 und vom 12.6.1996 II R 3/93, BStBl II 1996, 485). Dieser Zeitpunkt ist in der Streitsache der Ablauf des Jahres 1991, so dass die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 1995 abgelaufen ist.

In der Streitsache ist entgegen der Auffassung des FA auch keine Anlaufhemmung nach § 16 a GrEStG eingetreten. Nach dieser ...

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