rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausnahmsweise Nichtigkeit eines Schätzungsbescheides bei willkürlicher Schätzung. Begründung eines Schätzungsbescheides und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Grobe Schätzungsfehler bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen führen regelmäßig nur zur Rechtswidrigkeit und nicht zur Nichtigkeit des Schätzungsbescheides; anders verhält es sich nur, wenn das Finanzamt bewusst und willkürlich zum Nachteil des Steuerpflichtigen schätzt.

2. Willkürmaßnahmen, die mit den Anforderungen an eine ordnungsmäßige Verwaltung nicht zu vereinbaren sind, können einen schweren Fehler i.S. von § 125 Abs. 1 AO abgeben. Willkürmaßnahmen liegen vor, wenn das Schätzungsergebnis trotz vorhandener Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklären und Schätzungsgrundlagen zu ermitteln, krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht und in keiner Weise erkennbar ist, dass überhaupt und ggf. welche Schätzungserwägungen angestellt wurden.

3. Ein wegen unterlassener Abgabe einer Steuererklärung ergangener Schätzungsbescheid erfordert grundsätzlich keine über die Wertangaben hinausgehende Begründung der geschätzten Besteuerungsgrundlagen. Ein Schätzungsbescheid ist auch der Höhe nach nur zu begründen, wenn hierfür ein besonderer Anlass besteht. Ein solcher besonderer Anlass liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige aufgrund seiner Erfahrungen mit den Schätzungen der Vorjahre allein aus der Wertangabe bei den Einkünften entnehmen kann, wie die Einkünfte geschätzt worden waren.

4. Eine unterbliebene Anhörung ist für die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist nicht ursächlich, wenn der Steuerpflichtige durch die Begründung in den Steuerbescheiden ausreichend darauf hingewiesen worden ist, wie die Besteuerungsgrundlagen geschätzt wurden.

 

Normenkette

AO § 110 Abs. 1, § 119 Abs. 1, § 121 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 124 Abs. 3, § 125 Abs. 1, § 126 Abs. 3, §§ 127, 162 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Steuerbescheid nichtig ist oder ob wegen Versäumnis der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

I.

Der Kläger (Kl) ist Lehrer an der staatlichen Fachoberschule und bezieht aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Nachdem der Kl zunächst keine Einkommensteuererklärung für 1998 abgegeben hatte, schätzte der Beklagte (Finanzamt – FA –) die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Einkommensteuer für 1998 mit Bescheid vom 25. August 2000 auf 22.865 DM fest. Diesem Bescheid, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, lagen geschätzte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 79.000 DM (Einnahmen von 81.000 DM) und aus Vermietung und Verpachtung (VuV) in Höhe von 5.500 DM zu Grunde. Zur Begründung des Bescheids waren die Besteuerungsgrundlagen angegeben und es wurde in den Erläuterungen ausgeführt, dass die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden waren.

Mit dem Einkommensteueränderungsbescheid 1998 vom 3. November 2000 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Außerdem war in diesem Bescheid wiederum die Einkommensteuer auf 22.865 DM festgesetzt worden und als Begründung waren erneut die Besteuerungsgrundlagen angegeben.

Am 2. Januar 2001 ging beim FA die Einkommensteuererklärung des Kl für 1998 ein; am 12. April 2001 wurde die Anlage N hierzu nachgereicht. In der Steuererklärung wurden u.a. ein Verlust aus VuV in Höhe von 22.889 DM und Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 82.337 DM erklärt. Letzteres entsprach den Angaben in der ebenfalls vorgelegten Lohnsteuerkarte. Den Brutto-Mieteinnahmen in Höhe von 16.161 DM waren Schuldzinsen von 27.823 DM, Absetzungen für Abnutzung der Wohnung von 6.496 DM sowie der Küche von 951 DM und der Werbungskostenpauschbetrag von 3.780 DM (für 90 qm Wohnfläche) gegenübergestellt.

Mit Bescheid vom 28. März 2001 lehnte das FA eine Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 3. November 2000 ab. Mit Schreiben vom 17. April 2001 wandte sich der Kl gegen diese Entscheidung und trug vor, dass er aufgrund der starken beruflichen Belastung in den letzten Jahren seine steuerlichen Verpflichtungen verletzt habe, deshalb beantrage er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Außerdem ließ der Kl durch seinen Prozessbevollmächtigten weiter vortragen, dass die Einkommensteuerbescheide vom 25. August 2000 und vom 3. November 2000 nichtig seien, da es sich bei diesen Bescheiden um sog. „Strafschätzungen” handele. Die Schätzung der Einkünfte aus VuV sei vollständig überzogen gewesen, da keine Finanzierungskosten berücksichtigt worden seien. Die Bescheide müssten deshalb aufgehoben werden. Dass sich bei den Einkünften aus VuV ein Verlust ergeben müsse, hätte sich dem FA zumindest auch deshalb aufdrängen müssen, weil auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für 1998 ein entsprechender Ermäßigungsbetrag eingetragen worden sei. Soweit aber das FA davon ausgehe, dass die Einkommensteuerbescheide nicht nichtig...

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