rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Eine sachliche Unbilligkeit für das weitere Entstehen von Säumniszuschlägen kann dann angenommen werden kann, wenn der Steuerpflichtige vergeblich alles getan hatte, um die AdV zu erreichen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine sachliche Unbilligkeit für das weitere Entstehen von Säumniszuschlägen kann dann angenommen werden kann, wenn entweder die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide rechtswidrig seitens des FA abgelehnt worden wäre oder wenn der Steuerpflichtige gegenüber dem FA vergeblich alles getan hätte, um die AdV zu erreichen.
2. Sind Säumniszuschläge für einen Zeitraum entstanden, während dessen eine Stundung der Steuer möglich oder geboten gewesen wäre, kann für die Erhebung der Säumniszuschläge als Druckmittel die Rechtfertigung entfallen sein, so dass insoweit ein Teil-Erlass der Säumniszuschläge aus sachlichen Billigkeitsgründen in Betracht kommt.
3. Sind Säumniszuschläge für einen Zeitraum angefallen, in dem eine AdV möglich oder geboten gewesen wäre, ist ein Teil-Erlass der Säumniszuschläge unter dem Gesichtspunkt ermessensgerecht, dass Aussetzungszinsen bei Erfolg des Rechtsmittels nicht anfallen.
Normenkette
AO §§ 5, 227, 240; FGO § 102
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob Säumniszuschläge zu erstatten sind.
I.
Nach einer beim Kläger und der […] (X-GmbH) durchgeführten Fahndungsprüfung wurden dem Kläger verdeckte Gewinnausschüttungen zugerechnet. Das gegen die Einkommensteueränderungsbescheide für 1990 bis 1995 und Vermögensteueränderungsbescheide auf den 1.1.1991, 1.1.1993 und 1.1.1995 (vom 29. Juli 1999 bzw. 18. August 1999) in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 13. Juni 2000 geführte Klageverfahren (Aktenzeichen – Az. – 13 K 3645/00) beendeten die Beteiligten dadurch, dass der Kläger die Klage i.S. Einkommensteuer 1999 zurücknahm und sie im Übrigen übereinstimmend den Rechtsstreit in Hinblick auf die künftigen Änderungsbescheide in der Hauptsache für erledigt erklärten (Erledigungserklärungen vom 22. November 2003 und 4. Dezember 2003). Der Beklagte – das Finanzamt (FA) – legte den Abhilfebescheiden vom 16. Dezember 2003 bei den Einkommensteuerfestsetzungen für 1990, 1992, 1993, 1994 und 1995 (nebst Solidaritätszuschlag für 1992 und 1995) und Vermögensteuerfestsetzungen auf den 1.1.1991, 1.1.1993 und 1.1.1995 den Vorschlag des – mit Beweisbeschluss vom 18. März 2003 bestellten – finanzgerichtlichen Buchsachverständigen zugrunde (Stundungsakte Bl. 87 ff.; Rechtsbehelfsakte II Bl. 12 f.).
Zuvor hatten das FA mit Bescheid vom 29. Januar 2002 und das Finanzgericht (FG) mit Beschluss vom 20. Februar 2003 (Az. 13 V 973/02) Anträge auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Steueränderungsbescheide nach Steuerfahndung abgelehnt.
Nachdem der Kläger sämtliche Hauptschulden beim FA bezahlt hatte, beantragte er mit Schreiben vom 30. September 2004 den Erlass sämtlicher Säumniszuschläge. Seinen Erlassantrag begründete der Kläger damit, dass ihm zu Unrecht AdV nicht gewährt worden sei. Die Schätzungen der Steuerfahndung seien in sich nicht schlüssig gewesen (Stundungsakte Bl. 67). Mit Bescheid vom 29. Oktober 2004 (ohne Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung) lehnte das FA den Antrag ab.
Darauf beantragte der Kläger erneut mit Schreiben vom 29. November 2004 einen Erlass der Säumniszuschläge. Seinen Antrag begründete er erneut damit, dass die AdV zu Unrecht nicht gewährt worden sei, und außerdem damit, dass persönliche Billigkeitsgründe vorliegen würden (Stundungsakte Bl. 126 f.). Die rechtswidrigen und überzogenen Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung hätten seine wirtschaftliche Existenz in Deutschland vernichtet. Um sich der Inhaftierung zu entziehen, sei er nach Griechenland geflohen und hätte dadurch seine Existenz in Deutschland verloren. Nach der Flucht habe er seine gesamten nach dem gerichtlichen Klageverfahren verbliebenen steuerlichen Hauptschulden nur mit Hilfe der gesamten Familie bezahlen können. Sollte das FA auf die Zahlung der Säumniszuschläge bestehen, drohe die Insolvenz. Mit Verwaltungsakt vom 18. Januar 2005 lehnte das FA den Erlassantrag ab, da die Voraussetzungen eines Erlasses aus persönlichen Billigkeitsgründen nicht nachgewiesen seien und die Voraussetzungen eines – auch nur teilweisen – Erlasses aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht vorliegen würden.
Den dagegen gerichteten Einspruch begründete der Kläger zusätzlich zu den bisher bereits vorgebrachten Argumenten auch damit, dass die Schätzungsbescheide aufgrund des Steuerfahndungsberichts schwerwiegende Mängel aufgewiesen hätten und deshalb nichtig gewesen seien. Ursprünglich sei er beschuldigt worden, dass er 800.000 DM hinterzogen habe. Die Buchprüfung während des Klageverfahrens hätte aber ergeben, dass nicht einmal ein Betrag von ca. 10% der geschätzten Summe zutreffend gewesen sei. Der Buchprüfer sei zu diesem Ergebnis gelangt, ohne dass nach dem erfolglosen AdV-Verfahren weitere Unterlagen beim FG einger...