Entscheidungsstichwort (Thema)
Umzugskosten bei Schwangerschaft der Ehefrau und Bezug einer deutlich größeren Wohnung auch bei über einstündiger täglicher Fahrzeitverkürzung nicht abziehbar. Einkommensteuer 1994
Leitsatz (amtlich)
Ein Umzug ist grundsätzlich als beruflich veranlasst anzusehen, wenn sich die arbeitstägliche Fahrzeit zwischen Wohnung und Arbeitsstätte um mindestens eine Stunde verringert. Zusätzliche private Motive für den Umzug können jedoch dazu führen, dass die Umzugsaufwendungen trotzdem nicht abgezogen werden können (hier: Bezug einer erheblich größeren Wohnung infolge der fortgeschrittenen Schwangerschaft der Ehefrau des Klägers; Verlängerung des Arbeitsweges der Ehefrau).
Normenkette
EStG 1990 § 9 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 1, § 12 Nr. 1 S. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob Umzugskosten in Abzug gebracht werden können.
Die Kläger (Kl) sind seit 9.9.1994 (Streitjahr) verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die gemeinsame Tochter wurde am … 1994 geboren. Von Beruf ist der Kl …, die Klin technische … Bis zum 1.11.1994 wohnten die Kl in in (Nähe ). Diese Wohnung war 60 qm groß und bestand aus 2 Zimmern (Monatsmiete: 530 DM). Am 2.11.1994 zogen sie in ein gemietetes Haus (Doppelhaushälfte, 3 Zimmer, Wohnfläche 85 qm) in der (… Hierfür zahlten die Kl eine monatliche Miete in Höhe von 1.500 DM (ohne Nebenkosten). Den Mietvertrag dafür hatten sie am 24.8.1994 unterzeichnet.
Im September 1994 hatte der Arbeitgeber des Kl seinen Betrieb von nach verlegt. Dadurch hatte sich die Fahrtstrecke des Kl zur Arbeitsstätte von 26 km auf 30 km vergrößert. Durch den Umzug nach verkürzte sich die Fahrtstrecke des Kl auf 17 km. Die Klin erreichte ihre Arbeitsstelle bei der Fa. in …, -Straße 120, jeweils mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Durch den Umzug vergrößerte sich die von ihr zurückzulegende Fahrtstrecke zur Arbeitsstelle erheblich. Ab 7.11.1994 befand sich die Klägerin (Klin) in Mutterschaftsurlaub. Anschließend nahm sie einen dreijährigen Erziehungsurlaub.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kl Umzugsaufwendungen in Höhe von 6.183 geltend. Diese sollten als Werbungskosten bei den Einkünften des Kl aus nichtselbständiger Arbeit in Abzug gebracht werden. Im Einkommensteuerbescheid 1994 vom 1.6.1995 wurden die Aufwendungen vom Beklagten (Finanzamt – FA–) wegen angeblich nicht vorhandener beruflicher Veranlassung nicht berücksichtigt.
Im Einspruchsverfahren wurde geltend gemacht, daß der Kl für die einfache Fahrt von der alten Wohnung zu seiner Arbeitsstätte nach 50-60 Minuten benötigt habe, von der neuen Wohnung aus nur noch 15 Minuten. Hierdurch sei es zu einer täglichen Ersparnis von 70 Minuten gekommen, was zur Abzugsfähigkeit der Umzugskosten führe. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung – EE – vom 25.10.1995).
Mit der Klage wird vorgetragen, daß der Kl vor dem Umzug 45-60 Minuten für die Fahrt zur Arbeit benötigt habe, nach dem Umzug nur noch ca. 10-15 Minuten. Die tägliche Arbeitszeit für den Kl dauerte von 7.30-16.30 Uhr. Zwar betrage die neue Strecke zur Arbeitsstelle noch 17 km. Da der Kl jedoch teilweise die Autobahn A 99 benutzen könne, ermäßige sich die Fahrzeit in dem angegebenen Umfang.
Die Kl beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 1.6.1995 in Gestalt der EE in der Weise zu ändern, daß bei den Einkünften des Kl aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 6.183 DM in Abzug gebracht werden.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Es ist der Ansicht, daß der Umzug in die neue Wohnung durch die Heirat und die Geburt des Kindes privat mit veranlaßt gewesen sei und ein Abzug deshalb nicht möglich sei.
Mit gerichtlicher Anordnung vom 11.8.1997 wurden die Kl um Vorlage bestimmter Unterlagen und um verschiedene Auskünfte gebeten. Hierauf und auf die mit Schriftsatz vom 10.9.1997 vorgelegten Unterlagen wird Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einem Verfahren ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Da das Bewohnen einer Wohnung dem privaten Lebensbereich zuzurechnen ist, sind auch die Kosten für einen Wechsel der Wohnung grundsätzlich als steuerlich nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung anzusehen (§ 12 Nr. l Satz 2 EStG). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die berufliche Tätigkeit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstellt und private Gründe nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen (Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 16.10.1992 VI R 132/88, BStBl II 1993,610, und vom 16.9.1993 VI R 108/89, BFH/NV 1994,234).
Eine berufliche Veranlassung ist von der Rechtsprechung zum Beispiel dann anerkannt worden, wenn durch den Umzug der erforderliche Zeitaufwand für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wesentlich verkürzt wurde oder wenn durch den Wohnungswechse...