Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer: Rechtsträgerwechsel bei Kapitalgesellschaften
Leitsatz (redaktionell)
Die übertragende Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft mit einer anderen Kapitalgesellschaft ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ein grunderwerbsteuerbarer und damit grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 17
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (Finanzamt - FA -) zu Recht anläßlich der Verschmelzung zweier GmbH"s einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 GrEStG erlassen hat.
Mit notariellem Verschmelzungsvertrag vom 17. 8. 1994 hat die XmbH ihr gesamtes Vermögen, zu dem erheblicher Grundbesitz gehört, mit allen Rechten und Pflichten auf die Klägerin (Klin) übertragen. Die XmbH war eine 100prozentige Tochter der Klin. Die Verschmelzung wurde am 22. 6. 1995 ins Handelsregister eingetragen.
Mit Feststellungsbescheid vom 6. 2. 1996 stellte das FA nach § 17 GrEStG die Besteuerungsgrundlagen für die in verschiedenen Finanzamtsbezirken belegenen Grundstücke fest. Die Bemessungsgrundlagen sind unstreitig.
Der gegen den Feststellungsbescheid eingelegte, jedoch nicht weiter begründete Einspruch hatte keinen Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidung vom 25. 3. 1997 (Bl. 112 FA-Akte) wird Bezug genommen.
Mit ihrer Klage beantragt die Klin, den angefochtenen Feststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.
Zur Begründung trägt sie vor, daß die Verschmelzung zwar grundsätzlich nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG einen steuerpflichtigen Vorgang darstelle. Mit Urteil vom 12. 1. 1994 II R 130/91, BStBl II 1994, 408 habe der BFH jedoch entschieden, daß die unmittelbare Vereinigung aller Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft dann keine Grunderwerbsteuer auslöse, wenn die Person, in deren Hand die Anteile vereinigt werden, zuvor teils unmittelbar, teils mittelbar bereits sämtliche Anteile gehalten habe, weil dem Anteilseigner die Anteile schon vorher grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen gewesen seien. Dieser Grundsatz müsse auch auf Erwerbsvorgänge des § 1 Abs. 1 GrEStG übertragen werden, so daß bei der Verschmelzung einer GmbH auf den Alleingesellschafter, der ebenfalls eine GmbH sei, keine Grunderwerbsteuer anfallen könne. Auch in diesem Fall trete in der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Grundbesitz keine Änderung ein.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Es ist der Auffassung, daß das von der Klin zitierte zu § 1 Abs. 3 GrEStG ergangene Urteil nicht auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG angewandt werden könne. Denn im Gegensatz zu § 1 Abs. 3 GrEStG, der den Übergang von Gesellschaftsanteilen betreffe, finde bei § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ein Rechtsträgerwechsel statt. Daß bei Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften Grunderwerbsteuer anfalle, entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, da er die Anwendung der Steuerbefreiung nach §§ 5 und 6 GrEStG auf Personengesellschaften beschränkt habe.
Am 16. 2. 2000 hat vor dem Senat mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die übertragende Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft mit einer anderen Kapitalgesellschaft ist unstreitig ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG grunderwerbsteuerbarer und -pflichtiger Vorgang, bei dem die Steuer aus der Gegenleistung zu berechnen ist (vgl. u. a. BFH- Urteil vom 16. 2. 1994 II R 125/90, BStBl II 1994, 866 sowie Boruttau / Egly / Sigloch, GrEStG, 14. Aufl., Rn. 529 und 563 sowie Hofmann, GrEStG, 6. Aufl., Rn. 42 zu § 1).
Entgegen der Auffassung der Klin gilt dies auch, wenn die untergehende Kapitalgesellschaft eine 100prozentige Tochtergesellschaft der aufnehmenden Kapitalgesellschaft ist. Die Grundsätze der zur Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG ergangenen BFH-Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 20. 10. 1993 II R 116/90, BStBl II 1994, 121 und vom 12. 1. 1994 II R 130/91, BStBl II 1994, 408) lassen sich nicht auf die Streitsache übertragen.
§ 1 Abs. 3 GrEStG ist ein zur Vermeidung von Umgehungen geschaffener Ergänzungstatbestand, der einen fingierten Grundstückserwerb der Grunderwerbsteuer unterwirft (vgl. Hofmann, GrEStG, 6. Aufl., Rn. 73 zu § 1). Demgegenüber besteuert der in der Streitsache einschlägige § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG einen Rechtsträgerwechsel, hier von der untergegangenen GmbH auf die Klin.
Ein derartiger Rechtsträgerwechsel bei Kapitalgesellschaften unterliegt nach dem System des GrEStG stets der Steuer (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 4. 12. 1996 II B 116/96, BStBl II 1997, 661 zur bloßen formwechselnden Umwandlung und BFH-Beschluß vom 30. 7. 1997 II B 10/97, BFH/NV 1998, 882 zur Anwachsung). Die von der Klin vertretene Auffassung, daß auch bei Grundstücksübertragungen zwischen Kapitalgesellschaften auf die Beteiligungsverhältnisse abzustellen sei, widerspricht den Wertungen des Gesetzgebers, Kapitalgesellschaften als selbständige Rechtsträger anzusehen und auf die Beteiligungsverhältnisse ...