Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines Bilanzpostens in einem Vorjahr als rückwirkendes Ereignis für den bestandskräftig veranlagten Feststellungsbescheid eines Folgejahres. Beginn der Festsetzungsfrist zur Anpassung an das rückwirkende Ereignis
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird nach einer Betriebsprüfung für Vorjahre ein für das Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres maßgebender Wertansatz korrigiert, der sich auf die Höhe des Gewinns in einem bestandskräftig veranlagten Feststellungsbescheid eines Folgejahres auswirkt, so stellt dies ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung hinsichtlich des Feststellungsbescheids für das Folgejahr dar (hier: Kapitalkonten für Treugeberkommanditisten einer Publikumsgesellschaft). Der Bilanzenzusammenhang ist in diesem Fall auch dann gewahrt, wenn das betreffende Folgejahr nicht unmittelbar an den Prüfungszeitraum der Betriebsprüfung anschließt und der Feststellungsbescheid für das zwischen dem Betriebsprüfungszeitraum und dem streitigen Folgejahr liegende Jahr nicht geändert worden ist.
2. Die vierjährige Festsetzungsfrist zur Änderung des bestandskräftigen Feststellungsbescheids des Folgejahres beginnt in diesem Fall erst mit Bekanntgabe des aufgrund der Betriebsprüfung geänderten Feststellungsbescheids für die Vorjahre und nicht schon früher, etwa bei Erstellung des Betriebsprüfungsberichts.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2, § 171 Abs. 10; EStG § 4 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der bestandskräftige Feststellungsbescheid für 1978 vom 10. Dezember 1979 nach einer Änderung des Feststellungsbescheids für 1976 vom 13. Dezember 1985 durch den Änderungsbescheid vom 3. Juli 1989 geändert werden durfte.
Die Klägerin war eine Publikumsgesellschaft mit über 800 Beteiligten, deren Geschäftszweck in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts der Bau und Betrieb von zwei Hotelanlagen auf …/Spanien war. Zum 30. November 1978 schieden etwa die Hälfte der Treugeberkommanditisten ohne Gegenleistung aus der Klägerin aus. Die Klägerin erklärte in ihrer Feststellungserklärung für 1978 folgenden Verlust:
laufender Verlust It. Steuerbilanz |
2.027.113,99 DM |
Verlust durch Übernahme der negativen Kapitalkonten |
17.824.759,00 DM |
Sonderbetriebsausgaben |
718.836.00 DM |
Verlust 20.570.708,99 DM |
|
Veräußerungsgewinn der ausgeschiedenen |
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Gesellschafter |
+ 17.824.759.00 DM |
Gesamtverlust |
2.745.950,00 DM. |
Das beklagte Finanzamt stellte erklärungsgemäß Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die Klägerin in Höhe von 2.745.950 DM fest. Der Feststellungsbescheid für 1978 vom 10. Dezember 1979 wurde bestandskräftig.
In der Zeit vom 10. Juli 1978 bis 6.Juli 1984 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 1972 bis 1976 statt. Während der Betriebsprüfung ergingen von Finanzamtsseite mehrere Berichte betreffend die Auslandsbeziehungen der Klägerin, der letzte am 9. Juli 1984 (Bl. 25 ff. der Betriebsprüfungsakte C). Mit Schreiben vom 10. Juli 1984 wies die Oberfinanzdirektion … das beklagte Finanzamt an, die Veranlagungen der Klägerin für 1972 bis 1977 gemäß dem Bericht vom 9. Juli 1984 durchzuführen (Bl. 19 der Sonderfeststellungsakte 1977/1978). Mit Schreiben vom 27.September 1984 wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Abschluss der Prüfung mitgeteilt (BI.61 der BP-Akte B), wobei betr. die steuerliche Behandlung der Auslandsbeziehungen der Klägerin auf die Stellungnahme des Auslandsprüfers der OFD … vom 9. Juli 1984 verwiesen wurde (Bl. 41 ff der BP-Akte B). Das Finanzamt erstellte am 23. Oktober 1985 einen endgültigen Betriebsprüfungsbericht, dessen Anlage 2 der Bericht vom 9. Juli 1984 ist.
Auf den Betriebsprüfungsbericht einschließlich Anlage 2 wird Bezug genommen (Betriebsprüfungsakte C Bl. 2 ff.). Durch die Betriebsprüfung änderten sich die Kapitalkonten der Treugebergesellschafter in dem Sinn, dass bisherige Verluste im Wesentlichen nicht anerkannt wurden. Der aufgrund der Betriebsprüfung geänderte Feststellungsbescheid für 1976 ging am 13. Dezember 1985 zur Post. Er wurde nach gerichtlicher Anfechtung und Klagerücknahme bestandskräftig (Az des FG VI 1/86 F,EW).
Wegen der veränderten Kapitalkonten der Treugeberkommanditisten zum 31. Dezember 1976 erließ das Finanzamt am 3. Juli 1989 einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Feststellungsbescheid für 1978 folgenden Inhalts:
laufender Verlust (wie bisher) |
2.027.114 DM |
Verlust durch Übernahme der negativen Kapitalkonten |
2.872.655 DM |
Sonderbetriebsausgaben |
724.645 DM |
Verlust |
5.624.414 DM |
Veräußerungsgewinn der ausgeschiedenen |
|
Gesellschafter |
+ 2.872.655 DM |
Gesamtverlust |
2.751.759 DM. |
In dem Verlust durch Übernahme der negativen Kapitalkonten einerseits und im Veräußerungsgewinn der ausgeschiedenen Gesellschafter andererseits (je 2.872.655 DM) sind die durch die Betriebsprüfung geänderten Kapitalkonten zum 31.Dezember 1976 als Ausgangsgröße berücksichtigt und unter Ein...