Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung im Insolvenzverfahren. Abrechnungsbescheid. Umsatzsteuer 1997, 1998, 1999. Umsatzsteuer-Vorauszahlung 1999
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Steuererstattungsanspruch fällt auch dann bereits in die Insolvenzmasse, wenn er im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens noch nicht festgesetzt ist. Entscheidend ist nicht der steuerrechtliche Entstehungszeitpunkt des Erstattungsanspruchs, sondern der Zeitpunkt, in dem nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch gelegt worden ist.
2. Dieser Rechtsgrund im insolvenzrechtlichen Sinn besteht bei Steuervorauszahlungen mit ihrer Entrichtung, weil der Schuldner zu diesem Zeitpunkt einen Erstattungsanspruch unter der aufschiebenden Bedingung erlangt, dass am Ende die Jahressteuer geringer ist als die Summe der geleisteten Vorauszahlungen. Bei der Besteuerung der Umsätze nach vereinbarten Entgelten erlangt der Steuerpflichtige einen Erstattungsanspruch unter der aufschiebenden Bedingung, dass das vereinbarte Entgelt nach § 17 UStG berichtigt wird.
3. Der Rechtsgrund für einen Grunderwerbsteuererstattungsanspruch ist vor Insolvenzeröffnung gelegt worden, wenn der Steuerschuldner bei der Erfüllung der Zahlungsverpflichtung aus dem ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheid einen Anspruch auf Rückerstattung etwaiger überzahlter Beträge unter der aufschiebenden Bedingung erlangt hat, dass sich die Gegenleistung durch etwaige Ausübung vertraglich vereinbarter Erwerbsrechte ändern würde.
Normenkette
AO 1977 § 218 Abs. 2, § 37 Abs. 2, § 226; BGB §§ 387, 389; InsO § 96
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer von dem Beklagten (dem Finanzamt – FA–) erklärten Aufrechnung mit Umsatzsteuerrückständen aus den Jahren 1997 bis 1999 gegen einen Grunderwerbsteuererstattungsanspruch.
Mit Beschluss des Amtsgerichts M. – Insolvenzgericht – vom 1. Juli 1999 wurde über das Vermögen der H. GmbH (Schuldner) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Schreiben vom 28. September 1999 meldete das FA Abgabenforderungen i. H. v. insgesamt 589.830,41 DM gemäß § 174 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) beim Kläger an, darunter Umsatzsteuerrückstände aus den Jahren 1997 bis 1999 (FG-Akte Bl 13 bis 18). Der Kläger erkannte u.a. die letztgenannten angemeldeten Forderungen betreffend Umsatzsteuer 1997 bis 1999 an, diese wurden nach seinen Angaben zur Insolvenztabelle festgestellt (§ 178 InsO – FG– Akte Bl. 19–).
Am 12. Oktober 2001 erließ das FA einen nach § 165 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid über Grunderwerbsteuer (Heftung „Kopie Vollstreckungsakt” Bl. 6) aufgrund dessen sich ein Guthaben des Schuldners i. H. v. 79.305 DM ergab. Der Bescheid wurde dem Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter wirksam bekannt gegeben.
Für den Erlass des geänderten Bescheids waren folgende Umstände maßgeblich:
Mit Erbbaurechtsvertrag vom 13. Dezember 1996 hatte der Schuldner von der Gemeinde M. das Erbbaurecht an einem Grundstück in der Gemarkung G. erworben. Die Erbbaurechtsbestellung berechtigte und verpflichtete den Schuldner, eine Wohnanlage nebst den dazu erforderlichen Nebenanlagen zu errichten. Die Gesamtlaufzeit des Vertrages beträgt fünfzig Jahre. Die Laufzeit des Vertrags war für das FA Maßstab für die Bestimmung der Höhe der Gegenleistung i. S. des Grunderwerbsteuergesetzes. Der Bescheid vom 14. Februar 1997 war hinsichtlich der Höhe der Gegenleistung vorläufig ergangen (§ 165 der Abgabenordnung –AO 1977–), weil diese sich durch die etwaige Ausübung vertraglich vereinbarter Erwerbsrechte möglicherweise ändern würde.
Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens veräußerte der Schuldner zweiundfünfzig der insgesamt vorgesehenen sechsundfünfzig Wohnungen. Zum Verkauf der restlichen vier Einheiten kam es nicht mehr. Nachdem diese Wohnungen am 20. November 2000 zwangsversteigert wurden und die Erbbauzinsverpflichtung gegenüber der Gemeinde – abweichend vom vertraglich vereinbarten Zeitraum von fünfzig Jahren – nur für einen Zeitraum von durchschnittlich drei Jahren angesetzt wurde (Dezember 1996 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. September 1999) berichtigte das FA die Grunderwerbsteuer entsprechend der verkürzten Laufzeit des Erbbaurechts durch Änderung des Bescheides vom 14. Februar 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 1997, was zu dem Erstattungsbetrag i. H. v. 79.305 DM führte.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2001 erklärte das FA die Aufrechnung mit den zur Tabelle festgestellten Umsatzsteuerrückständen (FG-Akte Bl. 10) und buchte den Erstattungsanspruch i. H. v. 51.074,38 DM auf Umsatzsteuer 1997, i. H. v. 0,15 DM auf Umsatzsteuer 1998, i. H. v. 11.042,10 DM auf Umsatzsteuervorauszahlung April 1999 und i. H. v. 17.188,31 DM auf Umsatzsteuer 1999 um (FG-Akte Bl. 11).
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2001 erklärte sich der...