Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehung von Säumniszuschlägen. Ablehnung eines Antrags auf Stundung einer Kindergeldrückforderung nebst Säumniszuschlägen. Zuständigkeit. Konzentrationsermächtigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine gegen die Erhebung von Säumniszuschlägen gerichtete Klage ohne Vorliegen eines Abrechnungsbescheids ist grundsätzlich unzulässig.

2. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen des Entstehens von Säumiszuschlägen erfüllt, sind insoweit Ermessenserwägungen nicht anzustellen.

3. Die Stundung von Säumniszuschlägen kann auch isoliert beantragt werden und ist von der zuständigen Behörde unabhängig von der Stundung der Hauptforderung nach eigenen Kriterien zu prüfen.

4. Der Inkasso-Service, also die Agentur für Arbeit Recklinghausen Inkasso-Service Familienkasse, ist nicht für Entscheidungen im Erhebungsverfahren betreffend den Familienleistungsausgleich zuständig.

5. Die Konzentration der Zuständigkeit der Familienkasse für die Bearbeitung von Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen des Inkasso-Service im Bereich des steuerlichen Kindergelds, also für sämtliche Rechtsbehelfsverfahren in Erhebungsangelegenheiten, lässt sich nicht auf die Organisationskompetenz der Bundesagentur für Arbeit stützen.

 

Normenkette

AO §§ 222, 240, 218 Abs. 2, §§ 220, 37 Abs. 2; FVG § 17 Abs. 2, § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 11

 

Tenor

1. Der Bescheid über die Ablehnung des Stundungsantrags vom 14. Mai 2019 und die Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 2019 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 16 v.H. und die Beklagte zu 84 v.H..

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Ablehnung einer Stundung sowie die Erhebung von Säumniszuschlägen in Höhe von […] EUR zu einer Kindergeldrückforderung in Höhe von […] EUR.

Mit Bescheid der Familienkasse Bayern Süd vom 8. Januar 2019 wurde eine Kindergeldfestsetzung gegenüber der Klägerin aufgehoben und Kindergeld für den Zeitraum von Juli 2018 bis Oktober 2018 in Höhe von […] EUR zurückgefordert.

Mit Schreiben vom 18. Februar 2019 erließ der Inkasso-Service der beklagten Familienkasse bei der Bundesagentur für Arbeit Recklinghausen gegen die Klägerin eine Mahnung und setzte bis dahin entstandene Säumniszuschläge in Höhe von […] EUR fest. Mit Schreiben vom 4. März 2019 drohte der Inkasso-Service die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen an. Mit Schreiben vom 13. März 2019 bat die Klägerin, die Vollziehung auszusetzen, bis über den Einspruch gegen den Kindergeldrückforderungsbescheid der Familienkasse Bayern Süd entschieden worden sei. Mit Schreiben vom 19. März 2019 erging eine weitere Mahnung, in der die bis dahin entstandenen Säumniszuschläge auf […] EUR beziffert worden sind. Mit Schreiben vom 8. April 2019 beantragte die Klägerin die Stundung der Rückforderung nebst Säumniszuschlägen. Mit Schreiben vom 17. April 2019 teilte die Familienkasse Bayern Süd mit, dass das Einspruchsverfahren gegen den Rückforderungsbescheid vom 1. Januar 2019 nach Rücknahme des Einspruchs beendet sei.

Mit Bescheid vom 14. Mai 2019 lehnte der Inkasso-Service den Antrag der Klägerin auf Stundung der Kindergeldrückforderung nebst Säumniszuschlägen in Höhe von […] EUR ab, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Nach § 222 der Abgabenordnung (AO) dürfe eine Forderung nur gestundet werden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Schuldner verbunden sei und die Forderung durch die Stundung nicht gefährdet werde. Voraussetzung für die Stundung sei die Stundungsbedürftigkeit und die Stundungswürdigkeit des Schuldners. An der Stundungswürdigkeit fehle es insbesondere, wenn der Schuldner –wie die Klägerin im Streitfall– die Rückforderung selbst verschuldet habe. So sei die Rückforderung aufgrund einer Verletzung von Mitwirkungspflichten entstanden. Die Forderung bleibe daher fällig. Dabei wies der Inkasso-Service weiter darauf hin, dass Säumniszuschläge in Höhe von 1% pro Monat (§ 240 AO) entstünden, wenn fällige Beträge nicht gezahlt würden.

Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die beklagte Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 2019 als unbegründet zurück. Das Gesetz sehe die Rückzahlung einer Steuerschuld durch Ratenzahlung nicht vor. Der Stundungsantrag sei zu Recht abgelehnt worden, da die persönlichen Stundungsgründe nicht vorlägen. Insbesondere fehle es an der Stundungswürdigkeit. Die Rückzahlungsverpflichtung beruhe letztlich auf einer Verletzung der Mitwirkungspflichten der Klägerin. So habe sie der zuständigen Familienkasse Bayern Süd nicht rechtzeitig mitgeteilt, dass das Kind M eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe. Diese schließe im Streitfall einen Anspruch auf Kindergeld aus. Zudem fehle es an ...

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