rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Nach der Abladung von Schlachttieren auf einem Schlachthof bei der Schlachtung der Tiere und der weiteren Verarbeitung der Tierbestandteile als Lebensmittel anfallende, den Lieferanten durch eine Pauschale abgezogene sog. „Vorkosten” des Schlachthofs kein Entgelt für eigenständige umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen des Schlachthofes gegenüber den Lieferanten. Abladen der Tiere auf dem Schlachthof als für die Lieferung der Tiere maßgeblicher Zeitpunkt
Leitsatz (redaktionell)
1. Die ab dem Zeitpunkt des Abladens der Tiere auf dem Betriebsgelände eines Schlachthofes im anschließenden Produktionsprozess erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit der Schlachtung und der Verarbeitung (sog. „Vorkosten” des Schlachthofs wie z.B. für Qualitätsmanagement, einschließlich der Veterinärkosten; Kosten für Betriebsprüfung – sog. Audits – durch Kunden des Schlachthofs; Kosten für die Einhaltung erhöhter Hygienevorschriften; Erfassungskosten für die Rückverfolgbarkeit des Schlachtguts) dienen internen Unternehmensabläufen des Schlachthofes, wenn der Schlachthof dadurch in seiner Sphäre liegende gesetzliche und vertragliche Verpflichtungen erfüllt und diese Kosten seinen Lieferanten durch den Ansatz einer Pauschale von dem ermittelten Preis für das gelieferte Fleisch pro Tier abzieht; die Aufwendungen stellen keine den leistenden Tiererzeugern gesondert zu berechnenden sonstigen Leistungen (auch nicht im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes oder eines Kommissionsgeschäfts) dar, sondern einen im Wege des Einbehalts in Form der Pauschale preismindernd beim Einkauf der Tiere berücksichtigten Kostenfaktor der Tätigkeit des Schlachthofs.
2. Die umsatzsteuerrechtliche Verschaffung der Verfügungsmacht der gelieferten Tiere an einen Schlachthof findet schon aufgrund der umfassenden gesetzlichen Vorgaben für die Verarbeitung von Fleisch (z.B. Unterhalten einer gegenüber der zuständigen Behörde anzeigepflichtigen Viehladestelle; unionsrechtlichen Vorgaben in den Verordnungen VO (EG) Nr. 852/2004, ABl.EG 2004, Nr. L 139, S. 1 VO (EG) Nr. 853/2004 ABl.EG 2004, Nr. 139, S.155; VO (EG) Nr. 854/2004, ABl.EG 2004, Nr. L 139, S. 206 und VO (EG) Nr. 178/2002, ABl.EG 2002, Nr. L 31, S. 1, für die verschiedenen Sorgfaltsanforderungen bei der Schlachtung von Tieren und deren weiteren Verarbeitung als Lebensmittel), auch dann zu dem Zeitpunkt des Abladens auf dem Betriebsgelände statt, wenn nach den AGB des Schlachthofs bei den Schlachttieren der Eigentums- und Gefahrübergang erst zu dem (späteren) Zeitpunkt erfolgt, in dem die gesetzliche Schlachttieruntersuchung in der Schlachtstelle abgeschlossen und die Tiere freigegeben sind. Dies gilt unabhängig davon, ob sich das angelieferte Vieh für den Schlachthof als werthaltig erweist. Die Verkäufer der Tiere haben ab dem Zeitpunkt der Abladung der Tiere keine Möglichkeit einer weiteren Einwirkung auf ihre Liefergegenstände mehr.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 3 Abs. 1, 3, 9 S. 1, Abs. 12 S. 2, § 17 Abs. 1; MwStSystRL Art. 14 Abs. 1; ViehVerkV § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 3 S. 1, § 7 S. 1; EGV 852/2004 Art. 3; EGV 178/2002 Art. 3 Nr. 2, Art. 2
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides für 2012 vom 23. November 2018 wird die Umsatzsteuer für 2012 vom negativen Betrag von … EUR um … EUR auf den negativen Betrag von … EUR und unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides für 2013 vom 23. November 2018 wird die Umsatzsteuer für 2013 vom negativen Betrag von … EUR um 270.152,95 EUR auf den negativen Betrag von … EUR herabgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die bei der Schlachtung von Tieren und der weiteren Verarbeitung der Tierbestandteile als Lebensmittel bei der Klägerin anfallenden sogenannten „Vorkosten” das Entgelt für eigenständige umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen der Klägerin gegenüber den Lieferanten darstellen.
Die Klägerin ist eine in das Handelsregister des Amtsgerichts … unter der HRB eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Konzerngesellschaft der A. Die A vertreibt als internationaler Fleischproduzent Schweinefleisch und Rindfleisch sowie Nebenprodukte für den Einzelhandel, die Gastronomiebranche und die fleischverarbeitende Industrie. Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin ist der Betrieb von Großschlachtereien in eigenen und fremden Schlachthöfen, der Handel mit Vieh und Fleisch sowie anderen Nahrungsmitteln und landwirtschaftlichen Produkten sowie Herstellung und Vertrieb von Fleischwaren aller Art und anderen Nahrungsmitteln. Geschäftsführer ist …
Die Klägerin erw...