Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs aus privaten Veräußerungsgeschäften unter Anwendung des JStG 2007
Leitsatz (redaktionell)
1. Mit dem JStG 2007 wurde das Verlustfeststellungsverfahren für Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften konstitutiv eingeführt. Für zurückliegende Jahre ist nur dann eine gesonderte Feststellung vorgesehen, wenn die Feststellungsfrist am 1.1.2007 noch nicht abgelaufen war. Die Verwaltungspraxis, nach der entsprechend dem BMF-Schreiben vom 5.10.2000, IV C 3-S 2256-263/00 auch im Falle des § 23 EStG den am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften gesondert festzustellen war, hatte der BFH nicht gebilligt, sondern mit Urteil vom 22.9.2005, IX R 21/04 festgestellt, dass ein gesondertes Feststellungsverfahren in § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG nicht vorgesehen war. Nach der alten Rechtslage war folglich über die Verrechnung nicht ausgleichsfähiger Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften in dem Veranlagungszeitraum zu entscheiden, in dem verrechenbare positive Einkünfte aus solchen Geschäften erzielt werden.
2. Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften aus dem Jahr 2000, für die mangels gesetzlicher Grundlage eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2000 nicht durchzuführen war, sind nach Inkrafttreten des JStG 2007 bei den zwar auch ohne gesetzliche Grundlage, aber entsprechend der Verwaltungspraxis erlassenen, noch nicht bestandskräftigen Verlustfeststellungsbescheiden auf den 31.12.2001 und 31.12.2002 zu erfassen, wenn der Steuerpflichtige die Verluste in seiner Einkommensteuererklärung 2000 nicht geltend gemacht, in offener Festsetzungsfrist aber beantragt hatte, für 2000 eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags vorzunehmen, das FA dies nach der damals geltenden Rechtslage zu Recht abgelehnt und der Steuerpflichtige die dagegen erhobene Klage nach Ergehen des BFH-Urteils vom 22.9.2005, IX R 21/04 mangels Erfolgsaussicht zurückgenommen hatte.
Normenkette
EStG § 23 Abs. 3 S. 9, § 10d Abs. 3-4, § 52 Abs. 39 S. 7; AO §§ 169, 181
Nachgehend
Tenor
1. In Änderung der Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2001 vom 24. April 2003 und zum 31.12.2002 vom 17. November 2003 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. August 2004 wird der verbleibende Verlust auf jeweils 53.208 DM = 27.204,82 EUR festgestellt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, die der Kläger im Jahr 2000 erlitten hat, nachträglich gesondert festzustellen sind.
Der Kläger reichte seine Einkommensteuererklärung 2000 am 24. Dezember 2001 beim Beklagten (nachfolgend: Finanzamt) ein. Im Mantelbogen war zwar das Feld „Sonstige Einkünfte laut Anlage SO” angekreuzt. Eine Anlage SO war jedoch nicht beigefügt. Der Kläger wurde am 31. Januar 2002 erklärungsgemäß veranlagt. In den Besteuerungsgrundlagen sind die sonstigen Einkünfte mit Null erfasst. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2003 reichte der steuerliche Vertreter die Anlage SO für das Jahr 2000 nach, in der ein Verlust aus dem Anund Verkauf von Wertpapieren von 40.552 DM erklärt wurde. Die Höhe des Verlusts ist unstreitig. Es wurde beantragt, für 2000 eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags vorzunehmen und die gesonderten Feststellungen zum 31.12.2001 und 31.12.2002 entsprechend anzupassen. Das Finanzamt lehnte dies mit der Begründung ab, der zugrunde liegende Einkommensteuerbescheid könne nicht mehr geändert werden. Eine solche Änderungsmöglichkeit des Steuerbescheides sei jedoch nach § 10 d Abs. 4 S. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) Voraussetzung für den erstmaligen Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids. Die Verlustfeststellungsbescheide 2001 und 2002 stünden zwar unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Berücksichtigung des Verlustes aus dem Jahr 2000 sei jedoch in den Folgejahren nur möglich, wenn ein entsprechender Grundlagenbescheid für dieses Jahr vorliege.
Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage für die Jahre 2000, 2001 und 2002. Mit Urteil vom 22. September 2005 (IX R 21/04, BFHE 212, 41, BStBl II 2007, 158) entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass über die Verrechenbarkeit von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG, die im Entstehungsjahr nicht ausgeglichen werden könnten, erst im Jahr der Verrechnung zu entscheiden sei. Ein gesondertes Feststellungsverfahren sei nicht vorgesehen. Als...