Entscheidungsstichwort (Thema)
Enge Auslegung von Zollaussetzungsnormen
Leitsatz (redaktionell)
1. Zollaussetzungsnormen sind entsprechend ihrem Wortlaut eng auszulegen, so dass sie nicht über ihren Wortlaut hinaus auf Erzeugnisse angewandt werden können, die in ihnen nicht genannt sind (Im Streitfall: keine Anwendung der Zollaussetzung für Fahrradgabeln aus Aluminium auf die streitgegenständlichen, aus einem Standrohr aus Aluminium und einem Tauchrohr aus Magnesium bestehenden Federgabeln).
2. Aufgrund der engen Auslegung des Wortlauts der Zollaussetzungen besteht kein Raum für eine Anwendung der AV 3b) für die Auslegung der KN auf TARIC-Ebene.
Normenkette
KN UPos 8714 9130; KN AV 3b; EUVO 1387/2013
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob für die von der Klägerin eingeführten Vorderradgabeln eine Zollaussetzung bestand.
Das Hauptzollamt (HZA) .., Zollamt (ZA) …, fertigte am 19. Januar 2015, am 22. Januar 2015 und am 10. Februar 2015 mehrere Einfuhrsendungen der Klägerin mit insgesamt … Stück Vorderradgabeln aus den USA und aus Taiwan, angemeldet mit der Codenummer 8714 9130 33 0 und der Warenbezeichnung „Teile f. Fahrräder, Gabel, Alu, lackiert, gefedert” bzw. „Federgabeln (aus Alu, lackiert)”, zum zollrechtlich freien Verkehr ab. Das ZA erhob für die eingeführten Waren unter Zugrundelegung eines Zollsatzes von 4,7 % (neben der Einfuhrumsatzsteuer) auch Zoll in Höhe von insgesamt … EUR.
Die eingeführten Fahrradgabeln bestehen aus einem sog. Standrohr und einem sog. Tauchrohr, die sich beim Einfedern ineinanderschieben. Das Tauchrohr wird aus einer Magnesiumlegierung hergestellt; im Übrigen bestehen die Fahrradgabeln aus Aluminium.
Mit drei Anträgen vom 19. Oktober 2015 beantragte die Klägerin die Erstattung des Zolls, weil im maßgebenden Zeitraum eine Zollaussetzung einschlägig gewesen sei. Diesen Antrag lehnte das beklagte HZA mit den drei Bescheiden vom 29. März 2016 ab, da die Waren aus einer Mischung (Aluminium und Magnesium) bestünden und die Zollaussetzung nur für Fahrradgabeln aus Aluminium zu gewähren sei. Die Allgemeine Vorschrift (AV) 3b), die bei der Auslegung der achtstelligen Nomenklatur des Zolltarifs zu berücksichtigen sei, könne keine Anwendung für den TARIC (Integrierter Zolltarif der Europäischen Union) finden.
Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidungen vom 6. Juni 2016).
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren, die eingeführten Waren unter Zollaussetzung einführen zu können, weiter. Der TARIC basiere auf dem Harmonisierten System (HS), der Kombinierten Nomenklatur (KN) und auch auf den dazu ergangenen „Einführenden Vorschriften”. Unstreitig seien die eingeführten Vorderradgabeln der Unterposition 8714 9130 der KN zuzuweisen. Nach der AV 3b) für die Auslegung der KN, die auch beim TARIC zu berücksichtigen sei, würden Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestünden und die nach der AV 3a) nicht eingereiht werden könnten, nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen den wesentlichen Charakter verleihe, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden könne. Im Gegensatz zu einer Starrgabel seien die betroffenen Federgabeln zur Verbesserung des Bodenkontakts und des Komforts mit Stoßdämpfern ausgerüstet. Die Federung bestehe aus einem sog. Stand- und einem Tauchrohr (Gleitrohr), die sich beim Einfedern ineinanderschieben würden. Vorliegend bestehe das Tauchrohr aus einer Magnesiumlegierung mit einem Gewichtsanteil von rund 500 Gramm. Die eigentliche Gabel, bestehend aus einem Gabelschaftrohr, einer Gabelkrone, einem Standrohr (Schenkel), einem Luftdruckventil und der Steckachse, sei aus Aluminium gefertigt, was den wesentlichen Charakter der Vorderradgabeln ausmache. Nach dem Sinn und Zweck der betroffenen Zollaussetzung für „Vorderradgabeln aus Aluminium, zur Verwendung bei der Herstellung von Fahrrädern” fielen darunter auch solche Vorderradgabeln, denen das Aluminium ihren wesentlichen Charakter im Sinne der AV 3b) verleihe.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der ablehnenden drei Bescheide vom 29. März 2016 und der Einspruchsentscheidungen vom 6. Juni 2016 das HZA zu verpflichten, ihr … EUR Zoll zu erstatten.
Das HZA beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Regelung in Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (nachfolgend: Verordnung Nr. 2658/87, ABl. Nr. L 256, 1) besage nicht, dass die AV, welche Teil der KN seien, auch grundsätzlich auf die Unterpositionen des TARIC anwendbar seien. Vorrangig sei die Warenbeschreibung in der konkreten Zollaussetzung. Der Wortlaut einer Maßnahme, der nur für eine bestimmte Ware die Aussetzung der Zölle vorsehe, werde über den TARIC-Code mit der KN verknüpft. Würde man nun, wie im vorliegenden Fall, für die Einreihung in die TARIC-Position die AV 3b) anwenden, hätte die...