rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Geschäftsführers bei Beendigung der Geschäftstätigkeit einer GmbH und Begleichung aller offenen Verbindlichkeiten mit Ausnahme der erst im nächsten Monat fällig werdenden, für den Geschäftsführer aber bereits absehbaren erheblichen Umsatzststeuernachzahlung infolge der Erstellung von Schlussrechnungen. Anspruch auf rechtliches Gehör
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Geschäftsführer einer GmbH muss Vorsorge dafür treffen, dass die mit den geschäftlichen Aktivitäten der Gesellschaft im unmittelbaren Zusammenhang stehende (erhebliche) und absehbar am 10. des Folgemonats fällig werdende Umsatzsteuer wenigstens anteilig bezahlt werden kann. Er haftet nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung, wenn die Generalübernehmer-Tätigkeit der GmbH im Wesentlichen beendet und abgewickelt wird, im letzten Voranmeldungszeitraum der Geschäftstätigkeit die Schlussrechnungen für die Generalübernehmer-Tätigkeit erstellt werden, mit den Mitteln aus den sofort bezahlten Schlussrechnungen alle offenen und fälligen Eingangsrechnungen der GmbH beglichen werden und die GmbH anschließend zum Monatsende über keinerlei Vermögen bzw. Mittel mehr zur Begleichung der sich aus den Schlussrechnungen ergebenden, im nächsten Monat fällig werdenden Umsatzsteuerschuld verfügt.
2. Es liegt auch dann eine Pflichtverletzung vor, wenn ein Geschäftsführer sich durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger oder in sonstiger Weise schuldhaft außer Stande setzt, künftig fällig werdende Steuerschulden, deren Entstehung ihm bekannt ist, zu tilgen.
3. Der Unternehmer ist grundsätzlich auch in Zeiten der Krise, unbeschadet gesellschafts- und/ oder insolvenzrechtlicher Regelungen, deren Verletzung eine steuerliche Haftung nicht begründen könnte, nicht verpflichtet, von Geschäften Abstand zu nehmen, weil diese Umsatzsteuer auslösen, die voraussichtlich nicht beglichen werden kann. Der Unternehmer bleibt auch in Krisenzeiten in seinen unternehmerischen Dispositionen und in der Vertragsgestaltung frei.
4. Der Grundsatz auf rechtliches Gehör nach § 91 AO hat das Recht zum Inhalt, sich zu den Tatsachen des Sachverhalts zu äußern, nicht aber das Recht, sich zu den bestehenden Rechtsfragen zu äußern; es besteht insbesondere nicht die Verpflichtung zu einem Rechtsgespräch mit dem Betroffenen.
Normenkette
AO §§ 91, 191 Abs. 1 S. 1, § 34 Abs. 1 S. 2, § 69 S. 1
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 03.09.2013; Aktenzeichen VII B 26/13) |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides vom 11. April 2008 über Steuerschulden einer Firma A GmbH i.L.
Der Kläger war vom 1. Oktober 2003 bis zum 4. Februar 2005 Geschäftsführer der am 9. Mai 2003 gegründeten Firma PB GmbH (im Folgenden: GmbH); diese Gesellschaft führte bis zum 7. Oktober 2003 den Namen C GmbH und ab dem 4. Februar 2005 den Namen A GmbH.
Die in D ansässige GmbH war im Wesentlichen als so bezeichneter Generalübernehmer für die Sanierung von Gebäuden auf Grundstücken in der X Straße 1 und des Grundstücks Y Straße in E tätig.
In einem Vertrag vom 4. September 2003 mit den Bauherren – einer Firma J mbH und einer W GmbH in ihrer Eigenschaft als (ehemalige) Gesellschafter der V GbR – wurde in dessen § 6 „ein pauschaler Festpreis von 5.950.000 EUR inklusive derzeit 16 Prozent Umsatzsteuer vereinbart”. Gegenstand der Leistungen der GmbH sollte im Wesentlichen die organisatorische und technische Abwicklung des Umbaus, teilweisen Abbruchs, Modernisierung, Neugestaltung und der Vermietung einschließlich behördlicher und planerischer Leistungen bei den Grundstücken sein (§ 1 und 3 des Vertrags). Die Zahlungen sollten an Hand eines Zahlungsplans in Raten erfolgen, wovon die sechste bis neunte Rate mit einem Gesamtbetrag von 2.700.000 EUR frühestens ab dem 2. Januar 2005 fällig werden sollten.
Mit Vereinbarung vom 5. Juli 2004 erfolgte eine Anpassung dieses Vertrages, unter anderem wegen des zusätzlichen Ausbaus von Dachgeschossflächen zu Wohnungen; der neue „Gesamtpauschalfestpreis” sollte danach inklusive Umsatzsteuer 7.140.000 EUR betragen. Für die Fälligkeit der Zahlungen wurde nunmehr vereinbart, dass „alle Rechnungen sofort mit Rechnungsstellung zur Zahlung fällig sind”. Daneben wurden als verbindlich vereinbarter Fertigstellungstermin der 31. Dezember 2004 und ein neuer Zahlungsplan mit insgesamt 12 Raten festgelegt, wonach – unter Aufhebung der alten Fälligkeitsbeschränkung – die Fälligkeit der Raten 5 bis 11 mit einer Gesamtsumme von 4.610.000 EUR nicht vor dem 1. Dezember 2004 eintreten sollte.
Die GmbH gab für die Monate Januar bis November 2004 monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen bei dem hier beklagten Finanzamt (im Folgenden: FA) ab, die überwiegend Erstattungsbeträge zum Inhalt hatten. Eine Dauerfristverlängerung zur Abgabe der Voranmeldungen bestand nicht, ihre letzte Voranmeldung aus 2004 für den Monat November reichte sie am 10. Dezember 2004 mit einer negativen Umsatzsteuer v...