rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung volljähriger Kinder nach Wegfall der Prüfung der eigenen Einkünfte und Bezüge. „typische Unterhaltssituation” ist keine Voraussetzung für die Berücksichtigung verheirateter Kinder

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach dem Wegfall der Prüfung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes zum 1.1.2012 ist Kindergeld nunmehr bei Vorliegen eines Berücksichtigungstatbestandes – unabhängig von der Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes – zu gewähren.

2. Die Berücksichtigung verheirateter Kinder ist nicht (mehr) von einem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal „typische Unterhaltssituation” abhängig. Einkünfte des Ehegatten des Kindes stehen der Berücksichtigung des Kindes daher nicht entgegen.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, S. 2; BGB § 1608

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.02.2014; Aktenzeichen III R 33/13)

BFH (Urteil vom 27.02.2014; Aktenzeichen III R 33/13)

 

Tenor

1. Der Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 3. September 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2012 werden aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin für die Zeit ab Januar 2012 Kindergeld für A., geboren 1988, zusteht.

Die Großmutter von A. erhielt auf ihren Antrag Kindergeld für ihre Enkelin zuletzt aufgrund der Kassenanordnung vom 17. Oktober 2008. Mit Beschluss des Amtsgerichts-Vormundschaftsgericht – vom 8. Mai 2009 Az. 721 XVI 9390/08 nahm die Klägerin A. auf deren beiderseitigen Antrag als Kind an. Der Beschluss wurde mit Zustellung am 19. Mai 2009 wirksam. Die Agentur für Arbeit X. – Familienkasse – (Beklagte) verfügte die Weiterzahlung von Kindergeld am 21. Juli 2009.

Mit Veränderungsmitteilung vom 20. März 2012 teilte die Klägerin der Familienkasse mit, dass A. seit 8. August 2011 verheiratet sei und bis zum 31. Dezember 2011 in ihrem Haushalt gelebt habe. Die Familienkasse stellte die Zahlung von Kindergeld mit Verfügung vom 23. Mai 2012 ein und sandte der Klägerin einen Fragebogen hinsichtlich der Einkünfte und Bezüge von A. bis 31. Dezember 2011 zu und bat um eine Prognose für 2012. Diesbezüglich teilte die Klägerin mit Schreiben vom 16. Juli bzw. 21. August 2012, auf die Bezug genommen wird, mit, dass der Ehemann im Jahr 2011 Einnahmen i.H.v. 710 EUR gehabt habe und im Jahr 2012 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. voraussichtlich 51.000 EUR und aus selbständiger Arbeit i.H.v. voraussichtlich 3.000 EUR haben werde.

Daraufhin hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 3. September 2012 ab Januar 2012 auf und forderte Kindergeld für den Zeitraum vom Januar bis einschließlich Mai 2012 i.H.v. 920 EUR zurück.

Den dagegen eingelegten Einspruch, den die Klägerin damit begründete, dass es nach der aktuellen Gesetzesfassung aufgrund des Wegfalls des Grenzbetrags an einer entsprechenden Rechtsgrundlage für die Anrechnung des Einkommens des Ehemannes fehle, wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2012, auf die Bezug genommen wird, als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin weiterhin die Aufhebung des Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheides begehrt. Zur Begründung trägt sie vor, sie habe Anspruch auf Kindergeld für das Kind A., da diese sich in Ausbildung befinde und das 25. Lebensjahr noch nicht überschritten habe. Weitere Voraussetzungen enthalte das Gesetz nicht. Eine Einkommens- und Vermögensprüfung finde seit dem 1. Januar 2012 nicht mehr statt. Das Gesetz setze auch nicht voraus, dass das Kind unverheiratet sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den §§ 74 Abs. 1, 76 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Diese setzten eine Unterhaltssituation zwar voraus, besagten aber nicht, dass Kindergeld nur an unterhaltsverpflichtete Eltern gezahlt würde. Der Gesetzgeber habe trotz des Wissens, dass Rechtsprechung und Verwaltung § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG einschränkend dahingehend ausgelegt haben, dass die Vorschrift eine typische Unterhaltssituation der Eltern erfordere, eine uneingeschränkte Abschaffung der Einkommensprüfung gewollt. Eine Einschränkung könne auch nicht im Rahmen einer Typisierung von Seiten der Verwaltung erfolgen. Dies bleibe allein dem Gesetzgeber vorbehalten. Derzeit fehle es an einer gesetzlichen Grundlage für eine Einkommensüberprüfung bei verheirateten Kindern.

Ergänzend wird auf den Schriftsatz vom 8. Oktober 2012 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

der Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 3. September 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2012 werden aufgehoben.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Sie bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Einspruchsentschei...

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