Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbeachtlichkeit der Ehegatteneinkünfte eines verheirateten, volljährigen Kindes
Leitsatz (redaktionell)
Ein volljähriges Kind, das sich in der erstmaligen Berufsausbildung befindet, erhält seit 1.1.2012 Kindergeld, auch wenn es Arbeitslohn und sein Ehegatte weitere Einkünfte erzielt, auf die sich ein Unterhaltsanspruch des Kindes beziehen könnte, da dies gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zum 1.1.2012 keine Bedeutung mehr hat. Auf das Vorliegen eines "Mangelfalls" und einer typischen Unterhaltssituation nach altem Recht kommt es nicht mehr an.
Normenkette
EStG §§ 62, 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; BGB § 1608 S. 1, §§ 1360, 1360a; DA FamEStG 2013 31.2; EStG § 70 Abs. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob für den Zeitraum Januar 2012 die Einkünfte des Ehegatten eines verheirateten Kindes dem Kindergeldanspruch entgegenstehen.
Der Kläger ist Vater der am xx.yy.1988 geborenen Tochter B. Diese machte im Jahr 2009 Abitur und bewarb sich danach zunächst erfolglos um einen Studienplatz.
Seit Januar 2010 ist B mit M verheiratet und brachte im Februar 2010 den gemeinsamen Sohn O zur Welt. Seit dem Sommersemester 2010 ist sie an der Universität T als Studentin für das Lehramt (Mathematik und Sozialwissenschaften) eingeschrieben.
M bezog Arbeitslohn aus einer Beschäftigung in einem Supermarkt. Dort arbeitete B ab Juli 2011 ebenfalls als geringfügig Beschäftigte und bezog spätestens ab Februar 2012 Leistungen nach dem BAföG.
Die Familienkasse … setzte gegenüber dem Kläger Kindergeld für B ab April 2010 fest und zahlte es im Wege der Abzweigung antragsgemäß nach § 74 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an die Tochter aus.
Für den Zeitraum Januar 2011 bis einschließlich Januar 2012 hob die Familienkasse … die Kindergeldfestsetzung für B gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf, da sich das Einkommen des Ehegatten erhöht habe und damit auch der bei dem Kind vom Ehegatten anzurechnende Unterhaltsbeitrag.
Mit seinem hiergegen eingelegten Einspruch trug der Kläger vor, dass sein Schwiegersohn ab dem 31.8.2011 Krankengeld bezogen habe. Im Übrigen seien zusätzliche Fahrtkosten als Werbungskosten sowie der Kindesunterhalt für O zu berücksichtigen.
Die Familienkasse … wies den Einspruch als unbegründet zurück, da für den gesamten Zeitraum (Januar 2011 bis Januar 2012) kein sogenannter „Mangelfall” vorliege.
Hiergegen hat der Kläger zunächst im Hinblick auf den gesamten Zeitraum Klage erhoben, mit der er weiterhin die Berücksichtigung zusätzlicher Aufwendungen geltend macht.
Nach erklärter Klagerücknahme für die Monate Januar bis Dezember 2011 betrifft die Klage nur noch den Zeitraum Januar 2012. Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß,
den Aufhebungsbescheid vom 14.8.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2012 im Hinblick auf den Monat Januar 2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Während des Klageverfahrens ist aufgrund einer Umstrukturierungsmaßnahme der Bundesagentur für Arbeit ein Beklagtenwechsel eingetreten.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für Januar 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 70 Abs. 2 EStG lagen nicht vor, da der Kläger insoweit einen Anspruch auf Kindergeld für seine Tochter B hat.
Die Tochter des Klägers erfüllt die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gemäß §§ 62, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG, da sie in diesem Zeitraum studierte und sich damit in einer Berufsausbildung in diesem Sinne befand. Die Einschränkung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der ab 2012 gültigen Fassung, wonach ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums nur dann berücksichtigt wird, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, greift im Streitfall nicht, da es sich um eine Erstausbildung handelt. Ein vorangegangener Besuch des Gymnasiums erfüllt zwar den Berücksichtigungstatbestand der Berufsausbildung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG, stellt aber keine „erstmalige Berufsausbildung” im Sinne der enger auszulegenden Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dar. Letztere liegt nur vor, wenn dem Kind alle notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt wurden, die es für die Ausübung des von ihm angestrebten Berufes benötigt (FG Münster, Urteil vom 30.11.2012 4 K 1569/12 Kg, EFG 2013, 298; Loschelder in Schmidt, EStG, 32. Auflage 2013, § 32 Rn. 49 und BMF-Schreiben vom 7.12.2011, BStBl. I 2011, 1243, Tz. 21).
Weitere Voraussetzungen enthält das Gesetz nicht...