rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Holdinggesellschaften, die zu mehr als 50% ihres Betriebsvermögens Anteile an Personengesellschaften halten und verwalten. Bewertung der Anteile für Zwecke der Erbschaftsteuer nach dem Stuttgarter Verfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Kann der gemeine Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht aus Verkäufen abgeleitet werden, die weniger als ein Jahr zurückliegen, ist mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung von der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren nur abzuweichen, wenn dieses in Ausnahmefällen aus besonderen Gründen des Einzelfalls zu nicht tragbaren, d. h. offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt.
2. Anteile an reinen Holdinggesellschaften, die neben der Verwaltung ihrer Beteiligungen oder der Koordinierung der Beteiligungsgesellschaften keinen selbstständigen operativen Bereich haben, sind zur Vermeidung des sog. Kaskadeneffekts nur mit ihrem ungekürzten Vermögenswert zu bewerten.
3. Unter den Anwendungsbereich des R 103 Abs. 1 ErbStR fallen – ohne dass es in den Richtlinien entsprechend definiert wird – nur Holdinggesellschaften, die ausschließlich Anteile an Kapitalgesellschaften halten.
Normenkette
BewG § 151 Abs. 1 Nr. 3, § 11 Abs. 2 Nr. 2; ErbStR R 103 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 26.03.2019; Aktenzeichen II B 129/17) |
Tenor
1. Unter Änderung der Bescheide vom 14. August 2015 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils an der Klägerin zu 2 auf den 25. November 2008 für Zwecke der Erbschaftsteuer und der Einspruchsentscheidung vom 2. Februar 2016 wird ein Anteilswert von … EUR für 100 EUR des Nennkapitals der Klägerin zu 2 festgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
I.
Streitig ist der Wert der Anteile an einer Kapitalgesellschaft für Zwecke der Erbschaftsteuer.
Der im Jahr 2008 verstorbene Erblasser wurde von seiner Ehefrau und seinen Kindern (Erbengemeinschaft, Kläger zu 1) beerbt. Der Erblasser war an der Klägerin zu 2, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), mit 99,61%, seine Ehefrau mit 0,39 % beteiligt.
Der Gesellschaftszweck der Klägerin zu 2 bestand satzungsgemäß im Erwerb sowie der Verwaltung und Veräußerung eigenen Vermögens, insbesondere von Immobilien und Beteiligungen an Unternehmen und Gesellschaften aller Art, sowie der Erbringung von Dienstleistungen für diese Beteiligungen und Unternehmen sowie für Dritte. Sie hielt Kommanditanteile von 75,1 v.H. an der XXX Stiftung & Co. KG Holding KG (Holding), an der YYY GmbH & Co. KG sowie weitere Minderheitsbeteiligungen an verschiedenen GmbHs (zwischen 1,58 v.H. und 5,17 v.H.). Die Kommanditbeteiligungen an der Holding und der YYY GmbH & Co. KG machten den überwiegenden Teil von ungefähr 99 v.H. ihres Betriebsvermögens aus. Unter Einbeziehung der mittelbar über die Holding gehaltenen Beteiligungen (Unter-GmbHs und Unter-KGs) machten die Beteiligungen an den Kapitalgesellschaften (Unter-GmbHs) wertmäßig ungefähr 32 v.H. des Betriebsvermögens der Klägerin zu 2 aus. Der wertmäßige Anteil der Beteiligungen an Personengesellschaften und anderer Wirtschaftsgüter (insbesondere Forderungen) betrug einen Anteil von 68 v.H. im Betriebsvermögen der Klägerin zu 2.
Nachdem das Finanzamt den gemeinen Wert des Anteils des Erblassers an der Klägerin zu 2 zunächst entsprechend der eingereichten Steuererklärungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt hatte, nahm es im Rahmen einer Außenprüfung sowohl eine Berechnung nach dem so genannten Stuttgarter Verfahren unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten und eines Abschlags wegen geringer Erträge als auch eine Bewertung nach den Sonderregeln für Holdinggesellschaften im Sinne von R 103 Abs. 1 Erbschaftsteuerrichtlinien vom 21. Dezember 1998 (ErbStR) ohne Berücksichtigung der Ertragsaussichten vor. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei der Klägerin zu 2 um eine Holdinggesellschaft i.S.d. R 103 Abs. 1 ErbStR handle, da sie neben der Verwaltung eigener Beteiligungen keine eigene Produktions-, Handels- oder Dienstleistungstätigkeit ausübe. Wirtschaftlich seien die Anteile an der Holdinggesellschaft identisch mit den von ihr gehaltenen Beteiligungen, da das Zwischenschalten lediglich eine Effektensubstitution bewirke. In den am 14. August 2015 ergangenen Änderungsbescheiden wurde der gemeine Wert der Anteile mit … EUR für 100 EUR des Nennkapitals festgesetzt und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Die dagegen eingelegten Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 2. Februar 2016 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der hiergegen erhobenen Klage wenden sich die Kläger weiterhin gegen die Bewertung der Anteile. Zu Unrecht habe das Finanzamt entgegen dem Wortlaut des Ge...