rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass von Nachzahlungszinsen. Erlass von Zinsen nach § 233 a AO zur Einkommensteuer 1994 und 1995

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einer freiwilligen Leistung auf spätere Nachzahlungen, die erst nach Beginn des Zinslaufs erbracht wurde, sind entsprechend dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung 1977 zu § 233a Erl. 70 Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen nur insoweit zu erlassen, wie die auf volle 100 DM abgerundete freiwillige Leistung für jeweils volle Monate vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung erbracht worden ist (sog. fiktive Erstattungszinsen). Die Entscheidung des Finanzamts, den Erlass weiterer Nachzahlungszinsen abzulehnen, der damit begründet wird, dass ausgehend vom Zeitpunkt der freiwilligen Zahlung eine fiktive Steuerfestsetzung einen Monat früher anzunehmen sei, ist deshalb nicht ermessensfehlerhaft.

2. Ein Erlass von Nachzahlungszinsen, der nur sog. fiktive Erstattungszinsen gewährt, erfordert entgegen dem Urteil des Niedersächsischen FG vom 18.6.2002 6 K 449/00, EFG 2003, 17) keine weitere –die Vereinfachungsregel bei der Zinsfestsetzung des § 238 Abs. 1 Satz 2 AO entsprechende– Rechtsgrundlage.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 227, 233a Abs. 1-3, § 238 Abs. 1 S. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist, in welcher Höhe Zinsen auf Einkommensteuernachzahlungen aus Billigkeitsgründen zu erlassen sind.

I.

Mit Bescheid vom 19.11.1997 setzte das Finanzamt (FA) gegenüber den zusammenveranlagten Klägern (Kl) für das Jahr 1994 neben der Einkommensteuer Nachzahlungszinsen in Höhe von 1.731,00 DM fest und mit Bescheid vom 23.04.1998 für das Jahr 1995 neben der Einkommensteuer Erstattungszinsen in Höhe von -165.323,00 DM fest.

Aufgrund der beim Kl im Jahr 1998 durchgeführten Betriebsprüfung resultierten für die Jahre 1994 und 1995 Einkommensteuernachzahlungen. Nach der Schlußbesprechung am 28.10.1998 leistete der Kl im Vorgriff auf diese Einkommensteuernachzahlungen am 29.12.1998 freiwillige Zahlungen in Höhe von 99.025,00 DM für das Jahr 1994 und in Höhe von 1.007.854,00 DM für das Jahr 1995.

Das FA wertete den Betriebsprüfungsbericht vom 18.12.1998 aus, erließ die entsprechenden Einkommensteuerbescheide am 15.09.1999 und setzte Nachzahlungszinsen für das Jahr 1994 in Höhe von 22.026,00 DM und für das Jahr 1995 in Höhe von -19.192,00 DM fest. Aus den Zinsbescheiden resultierten für die Kl Nachzahlungen in Höhe von 20.295,00 DM für 1994 und 146.131,00 DM für 1995. Für das Jahr 1994 ging das FA bei den Zinsberechnungen von einem Unterschiedsbetrag zu Ungunsten der Kl in Höhe von 99.025,00 DM und für das Jahr 1995 in Höhe von 1.007.854,00 DM aus.

Mit Schriftsatz vom 29.12.1998 beantragten die Kl einen Erlass der Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen; nachdem die Zinsfestsetzungen erfolgt waren, bezifferten sie den Erlass-Betrag für 1994 mit 4.455,00 DM und für 1995 mit 45.351,00 DM. Mit Bescheid vom 11.10.1999 erließ das FA Nachzahlungszinsen für 1994 in Höhe von 3.960,00 DM und für 1995 in Höhe von 40.312,00 DM. Die erlassenen Beträge errechnete das FA wie folgt:

Jahr

abgerundete freiwillige Zahlung in DM

Tag der Zahlung

Wirksamkeit der Steuerfestsetzung

abgelaufene volle Monate (Spalte 3–4)

bei Zinssatz 0,5 % p.m. auf Betrag Sp. 2

Betrag in DM

1

2

3

4

5

6

7

1994

99.000,00

28.12.1998

18.09.1999

8

4 %

3.960,00

1995

1.007.800,00

28.12.1998

18.09.1999

8

4 %

40.312,00

Mit Antrag vom 15.10.1999 begehrten die Kl den Erlass weiterer Nachzahlungszinsen in Höhe der nicht gewährten Beträge von 495,00 DM und 5.039,00 DM. Mit Verwaltungsakt vom 09.12.1999 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) lehnte das FA diesen Antrag ab. Der dagegen gerichtet Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 10.03.2000).

Seine Entscheidung begründete das FA im Wesentlichen damit, dass die Ermessensausübung sowohl bei der Ablehnung des weitergehenden Erlasses als auch bei dem bisher gewährten teilweisen Erlass der Nachzahlungszinsen nicht fehlerhaft gewesen sei. Die entsprechenden Verwaltungsvorschrift (Anwendungserlass zur Abgabenordnung 1977 – AEAO – zu § 233a Erl. 70) – an die das FA im Streitfall gebunden sei – würde einen Erlass von Nachzahlungszinsen nur in der Form zulassen, dass bei einer freiwilligen Leistung auf spätere Nachzahlungen, die erst nach Beginn des Zinslaufs erbracht wurde, Nachzahlungszinsen aus Vereinfachungsgründen nur insoweit zu erlassen seien, wie die auf volle 100 DM abgerundete freiwillige Leistung für jeweils volle Monate vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung erbracht worden ist (sog. fiktive Erstattungszinsen). Für einen weitergehenden Erlass sei damit kein Raum.

Mit der Klage verfolgt der Kl seinen Antrag auf teilweisen Erlass der Zinsen weiter und trägt im Wesentlichen vor, dass die von ihm geleisteten Zahlungen am 29.12.1998 fristgerecht gewesen wären, wenn die Nachforderungsbescheide auf den 26.11.1998 datiert hätten. So gesehen hätten Nachforderungszinsen für die Einkommensteuer 1994 und 1995 nur für d...

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