rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Anschaffungskosten einer wesentlichen Beteiligung aus Bürgschaftsinanspruchnahme
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat, muss nachträglich eintreten, weil nur in diesem Fall die Notwendigkeit besteht, die Bestandskraft zu durchbrechen. Konnte das Ereignis bei Erlass des betreffenden Bescheides bereits berücksichtigt werden, greift die Vorschrift nicht ein.
2. Prozesskosten teilen als Folgekosten die einkommensteuerliche Qualifikation derjenigen Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren. Damit handelt es sich bei Rechtsanwaltskosten, die für einen Prozess wegen der Bürgschaftsinanspruchnahme aufgewendet werden, um berücksichtigungsfähige nachträgliche Anschaffungskosten, sofern die Bürgschaftsinanspruchnahme zu nachträglichen Anschaffungskosten führt.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 773
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Steuerbescheid geändert werden kann und nachträgliche Anschaffungskosten auf eine wesentliche Beteiligung zu berücksichtigen sind.
I.
Die Klägerin und der zwischenzeitlich von ihr geschiedene Ehemann (M) werden im Streitjahr einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.
M war ab dem Januar 1983 Alleingesellschafter der […] [… AA-GmbH] (GmbH). Am […] 1983 übernahm die Klägerin gemeinsam mit M eine Bürgschaft für alle bestehenden und künftigen Forderungen der […] (T-Bank) gegenüber der GmbH. Am […] 1985 beschloss M eine Erhöhung des Stammkapitals auf 50.000 DM.
Mit Vertrag vom […] 1990 erwarb die Klägerin von M Geschäftsanteile an der GmbH mit einem Nennwert von 17.500 DM (entspricht 35 %). Der Kaufpreis von 17.500 DM wurde im Kaufvertrag verzinslich gestundet. Vom […] 1990 bis […] 1995 war die Klägerin als Geschäftsführerin der GmbH im Handelsregister eingetragen.
Mit notariellem Vertrag vom […] 1994 schloss die Klägerin mit M einen Ehevertrag und eine Scheidungsvereinbarung. In § 2 dieses Vertrages war u.a. vereinbart, dass die Klägerin ihren Geschäftsanteil an der GmbH einschließlich der Gewinnbezugsrechte ab dem 1. Januar 1990 an den M zurück überträgt. Ein Kaufpreis war in dem Vertrag nicht ausgewiesen. Außerdem verpflichtete sich M, bei der T-Bank eine Entlassung der Klägerin aus der Bürgschaft vom […] 1983 zu erwirken. Sofern die T-Bank die Klägerin nicht aus der Bürgschaft entlasse, verpflichtete sich der M, die Klägerin im Innerverhältnis bei einer Bürgschaftsinanspruchnahme freizustellen.
Mit Schreiben vom […] 1995 wies die T-Bank die Klägerin darauf hin, dass für den Fall, dass M seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme, die bestehenden Privat- und Firmenkredite gekündigt würden und sie aus der Bürgschaft in Anspruch genommen werde. Mit Schreiben vom […] 1995 teilte die T-Bank der Klägerin mit, dass sämtliche Kredite sofort gekündigt würden, hiervon auch die Forderungen gegenüber der GmbH betroffen seien und kündigte an, dass sie nun aus der Bürgschaft in Anspruch genommen werde. Mit Schreiben vom […] 1995 teilte die T-Bank der Klägerin erneut mit, dass sie aus der Bürgschaft für Forderungen gegenüber der GmbH in Anspruch genommen werde. Mit Schreiben vom […] 1998 übersandte die T-Bank der Klägerin eine Kopie der Bürgschaftserklärung vom […] 1983 und teilte ihr mit, dass das Bankkonto [… 999 999] einen Sollstand der GmbH […] von 1.217.308,39 DM zuzüglich Zinsen und Gebühren […] ausweise und dass sie als Bürgin für diese Verbindlichkeiten hafte. Mit Schreiben vom […] 2002 übersandte die T-Bank der Klägerin eine Forderungsaufstellung über das Bankkonto der GmbH, bezifferte den Sollstand mit 525.363,43 EUR und verwies erneut auf die Notwendigkeit der Bürgschaftsinanspruchnahme.
Am […] 2006 vereinbarte die Klägerin mit der T-Bank einen gerichtlichen Vergleich und verpflichtete sich zur Zahlung eines Vergleichsbetrages an die T-Bank über insgesamt 500.000 EUR aufgrund der Bürgschaftsinanspruchnahme. Den Betrag tilgte die Klägerin in Raten über 300.000 EUR im Jahr 2006, über 150.000 EUR im Jahr 2007 und über 50.000 EUR im Jahr 2008. Zur Finanzierung dieser Zahlungen nahm die Klägerin ein Darlehen über 300.000 EUR auf, das […] 2006 ausbezahlt wurde. Die Klägerin beziffert die auf dieses Darlehen bis zum Jahr 2033 zu bezahlenden Zinsen auf 207.210 EUR. Außerdem verpflichtete sich die T-Bank in diesem Vergleich die Grundschulden an dem Grundstück der Klägerin, die zur Sicherheit für Verbindlichkeiten der GmbH bestellt worden waren, freizugeben und das Zwangsvollstreckungsverfahren in dieses Grundstück einzustellen. Nach Zahlung des Vergleichsbetrages von 500.000 EUR waren auch alle weiteren Sicherheiten von der T-Bank freizugeben.
Das für die GmbH zuständige Finanzamt stellte am […] 2002 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH, der vom Insolvenzgericht mit Beschluss vom […] 2002 mangels ...