Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Anschaffungskosten zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft. Berücksichtigung eines Veräußerungsverlusts
Leitsatz (redaktionell)
1. Nachträgliche Anschaffungskosten entstehen bereits zu dem Zeitpunkt, in dem der Gesellschafter aus einer eigenkapitalersetzenden Bürgschaftserklärung in Anspruch genommen wird, und nicht erst bei Erfüllung der Bürgschaftsschuld.
2. Hätte die Inanspruchname des Gesellschafters aus der Bürgschaft bereits zum Zeitpunkt der Einkommensteuerfestsetzung berücksichtigt werden können, liegt kein nachträgliches Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor.
3. Ist dem Finanzamt die Bürgschaftsinanspruchnahme unbekannt, sind die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 174 Abs. 3 Satz 1 AO nicht gegeben.
4. Eine falsche Rechtsanwendung allein ist kein Änderungsgrund i.S. einer widerstreitenden Steuerfestsetzung nach § 174 Abs. 1 und 2 AO.
5. Das nachträgliche Bekanntwerden der Bürgschaftsinanspruchnahme beruht auf einem dem Steuerpflichtigen zuzurechnenden groben Verschulden des Steuerberaters, wenn dieser die Entstehung der Schuld für steuerlich irrelevant hält und auf die Zahlung der Bürgschaftsschuld abstellt.
Normenkette
FGO § 90 Abs. 2, § 101 S. 1, § 135 Abs. 1, § 115 Abs. 2; AO § 164 Abs. 2, § 169 Abs. 2 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1, § 172 Abs. 1 S. 1 d, § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 174 Abs. 1-2, § 3 S. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 17 Abs. 1, § 2 S. 1; BGB § 774
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes im Veranlagungszeitraum 1993.
Der Kläger war vom 30. Juni 1989 bis zum 4. März 1993 an der …-GmbH (GmbH) zunächst mit 50 vom Hundert und ab dem 24. Juni 1991 mit 25 vom Hundert beteiligt. Zugunsten der GmbH ging der Kläger am 5. Juli 1990 eine Bürgschaftsverpflichtung ein. Der Kläger verkaufte mit notariellem Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom 4. März 1993 seine Beteiligung an der GmbH für 1 DM. Von der Bürgschaft nehmenden Bank wurde der Kläger 1994 in Anspruch genommen und leistete an diese in den Jahren 1994 bis 1998 im Wege von Ratenzahlungen insgesamt 100.913 DM. In den Jahren 1994 und 1995 hatte der Kläger anteilige Ratenzahlungen in Höhe von 19.200 DM (1994) und 25.452 DM (1995) zu leisten. Die GmbH wurde am 11. Januar 1996 wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.
Der Kläger gab für den Veranlagungszeitraum 1993 zunächst keine Steuererklärung ab, so dass die Besteuerungsgrundlagen vom Beklagten geschätzt und die Einkommensteuer 1993 mit Bescheid vom 24. August 1995 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wurde. Der Bescheid wurde durch Änderungsbescheid vom 23. Mai 1996 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geändert. Die Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1993 ging beim Beklagten am 30. März 1999 ein. Der Kläger erklärte für den Veranlagungszeitraum 1993 u. a. einen Verlust aus dem Verkauf der Beteiligung an der GmbH in Höhe von 12.499 DM (Veräußerungserlös 1 DM ./. Beteiligung 12.500 DM). Mit Änderungsbescheid vom 23. Juni 1999 berücksichtigte der Beklagte den erklärten Veräußerungsverlust, so wie er von dem fachlich vertretenen Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1993 erklärt worden war, und hob gleichzeitig den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Der Einkommensteuerbescheid 1993 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 23. Juni 1999 wurde bestandskräftig.
Der Kläger reichte am 19. Oktober 1999 die Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1994 ein. Der Kläger begehrte in der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1994 unter anderem einen Veräußerungsverlust infolge der Inanspruchnahme des Klägers aus der vorgenannten Bürgschaft zugunsten der GmbH in Höhe von 19.200 DM. Im Einkommensteuerbescheid 1994 vom 16. November 1999 wurde der Verlust – wie vom Kläger erklärt – bei der Steuerfestsetzung berücksichtigt. Der Steuerbescheid wurde bestandskräftig.
Auch für den Veranlagungszeitraum 1995 gab der Kläger – zunächst – keine Einkommensteuererklärung hab. Die Besteuerungsgrundlagen wurden vom Beklagten geschätzt und die Einkommensteuer mit Bescheid vom 15. Juli 1997 unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Mit Bescheid vom 19. Januar 1999 wurde der Einkommensteuerbescheid 1994 aufgrund einer Mitteilung über Beteiligungseinkünfte nach § 164 Abs. 2 AO geändert und gleichzeitig der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Der Kläger legte gegen diesen letztgenannten Bescheid mit Schreiben vom 25. Januar 1999 Einspruch ein und reichte am 17. Mai 2000 die Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1995 nach. Der Kläger begehrte in der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1995 unter anderem abermals einen Veräußerungsverlust aus der Inanspruchnahme des Klägers aus der vorgenannten Bürgschaft zugunsten der GmbH und reichte am 11. August 2000 zum Nachweis hierfür eine Z...