Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufteilung des erbschaftsteuerrechtlichen Freibetrags für Betriebsvermögen bei Zusammenfallen von Erb- und Nacherbfall
Leitsatz (redaktionell)
1. Treffen Erbfall und Nacherbfall in der Weise zusammen, dass ein Erwerber Alleinerbe des Vorerben und zugleich mehrere Erwerber Nacherben werden, wird für sämtliches Betriebsvermögen im Nachlass des Vorerben – ungeachtet des Umstands, ob es von der Vorerbschaft betroffen ist oder nicht – der Betriebsvermögensfreibetrag nur einmal gewährt.
2. Die Aufteilung des Freibetrags für erworbenes Betriebsvermögen zwischen dem Alleinerben des Vorerben und den übrigen Nacherben erfolgt nicht nach Köpfen, sondern entsprechend dem Wertverhältnis der jeweils erworbenen Gesellschaftsanteile zu dem gesamten Betriebsvermögen.
Normenkette
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1, 2 S. 1, § 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1; BGB §§ 2100, 2106, 1922
Tenor
1. Der Erbschaftsteuerbescheid vom 1. April 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2013 wird dahingehend geändert, dass die Erbschaftsteuer der Klägerin auf 291.099.– EUR herabgesetzt wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe der Klägerin der bislang nur zu 1/11 zugestandene erbschaftsteuerliche Freibetrag für von Todes wegen erworbenes Betriebsvermögen gewährt werden muss.
Die Klägerin ist kraft privatschriftlichen Testamentes vom 15. Oktober 2002 Alleinerbin der am 15. März 2003 verstorbenen S (im weiteren Erblasserin). Im Nachlass der Erblasserin befanden sich neben zahlreicher Immobilien auch Gesellschaftsanteile an der Fa. X GmbH & Co. KG … sowie an der Fa. Y GmbH & Co. KG … Die Klägerin ist die Nichte der Erblasserin und wurde zudem im Jahre 1988 von ihr als Erwachsene an Kindes statt angenommen. Die bezeichneten, im Nachlass befindlichen Gesellschaftsanteile hatte die Erblasserin seinerzeit teilweise von ihrer am 14. Oktober 1962 verstorbenen Mutter, M, geerbt. M hatte in ihrem notariellen Testament vom 29. August 1960 bestimmt, dass sie von ihren drei Kindern, A, B, sowie von der Erblasserin zu je einem Drittel beerbt werden sollte. Zudem hatte M verfügt, dass ihre Erben jedoch nur die Stellung von Vorerben erlangen sollten, wenn sie ohne leibliche Abkömmlinge verblieben. Zu Nacherben hatte sie die Abkömmlinge ihrer übrigen Erben bestimmt, wobei der Nacherbfall mit dem Tode des kinderlos verstorbenen Vorerben eintreten sollte. Die Erblasserin hatte im Jahre 1989 wegen der erfolgten Adoption der Klägerin für sich – jedoch letztlich erfolglos – die Ausstellung eines Erbscheins als Miterbin ihrer Mutter, M, ohne die Einschränkung als Vorerbin beantragt. Die Erblasserin hinterließ bei ihrem Tode keine leiblichen Abkömmlinge sondern nur ihre Adoptivtochter, die Klägerin, die ihrerseits leibliche Tochter der verstorbenen B ist. Nach Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung durch die Klägerin am 3. Januar 2006 setzte der Beklagte deren Erbschaftsteuer mit Bescheid vom 19. März 2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 226.328,– EUR fest. Der Steuerfestsetzung legte der Beklagte einen Wert des Erwerbs von 3.092.446,– EUR zugrunde, von der er wegen des erworbenen Betriebsvermögens einen Freibetrag von 256.000,– EUR sowie einen 40%igen Wertabschlag in Höhe von 1.451.767,20 EUR zum Abzug brachte. In der Folgezeit stellten die aufgrund der Belegenheit der im Nachlass befindlichen Immobilien zuständigen Finanzämter die Grundbesitzwerte der Nachlassgrundstücke fest. Außerdem hatten die Klägerin sowie die weiteren zehn Abkömmlinge der vorverstorbenen beiden Geschwister der Erblasserin als Nacherben der M in der Urkunde des Notars … vom 23. August 2007 eine Teilerbauseinandersetzung vereinbart. Im Einzelnen entfielen auf die Nacherben folgende Anteile des Nachlasses der M: C 1/9, D 1/9, E 1/18, F 1/9, G 1/9, H 1/18, J 1/9, K 1/18, L 1/18 sowie N 1/9. Auf die Klägerin entfiel ein Anteil von 1/9 des Nachlasses der M. Mit geändertem Erbschaftsteuerbescheid vom 1. April 2010 passte der Beklagte die Steuerfestsetzung an die festgestellten Grundbesitzwerte an und setzte die Erbschaftsteuer der Klägerin unter gleichzeitiger Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung auf 316.920,– EUR herauf. Der Steuerfestsetzung lag nunmehr ein Wert des Erwerbs von 3.704.276,– EUR zugrunde, wobei der Beklagte für die von der Klägerin erworbenen Gesellschaftsanteile einen Wert des Betriebsvermögens von 4.577.268,– EUR berücksichtigt hatte. Der letztgenannte Betrag umfasste den Wert der als Alleinerbin der Erblasserin erhaltenen Gesellschaftsanteile von 4.503.676,– EUR sowie den der als Nacherbin der M erhaltenen Gesellschaftsanteile von 73.592,– EUR. Die weiteren Nacherben C, D, F, G, J und N hatten Anteile an den genannten Gesellschaften im Wert von jeweils 72.673,– EUR, die Nacherben E, H, K und L Gesellschaftsanteile im Wert von jeweils 36.336,– EUR erhalten, die d...