Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Klageschrift bei Angabe eines falschen Beklagten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Klageschrift, in der ein Prozessbevollmächtigter eine falsche Behörde als Beklagten benennt, ist einer berichtigenden Auslegung durch das Finanzgericht nicht zugänglich, wenn die Finanzbehörde ausdrücklich und unmissverständlich bezeichnet ist.

2. Eine Auswechslung des Beklagten kann als Klageänderung i.S. von § 67 FGO zulässigerweise nur innerhalb der Klagefrist erklärt werden.

3. § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO sieht die Möglichkeit der Ergänzung auch von sog. Muss-Voraussetzungen einer Klage, also auch Ergänzungen im Hinblick auf die Bezeichnung des Beklagten, vor. Dies gilt jedoch nur dann, wenn eine Klage den Anforderungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO noch nicht genügt. Entspricht dagegen die Klage bereits den Anforderungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO, so ist für eine fristgebundene Aufforderung gemäß § 65 Abs. 2 FGO kein Raum mehr.

 

Normenkette

FGO § 63 Abs. 1 Nr. 1, §§ 67, 65 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1; BGB § 133

 

Gründe

I.

Streitig ist zunächst die Zulässigkeit der Klage.

Das Finanzamt München … wies mit Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 1997 den Einspruch des Klägers, einem eingetragenen Verein, gegen den Umsatz-Steuerbescheid 1994 vom 23. August 1996 zurück.

Mit Schriftsatz vom 1. August 1997, eingegangen bei Gericht am 4. August 1997, erhob die Prozeßbevollmächtigte des Klägers Klage gegen das Finanzamt München A. Die Klageschrift enthielt weder eine Begründung noch waren der angefochtene Umsatzsteuerbescheid oder die Einspruchsentscheidung beigefügt.

Mit einer weiteren Klageschrift vom 1. August 1997, bei Gericht per Fax eingegangen am 6. August 1997, erhob die Prozeßbevollmächtigte nunmehr wegen Umsatzsteuer 1994 Klage gegen das Finanzamt München B.

Die während des Klageverfahrens ergangenen Umsatz Steuer – Änderungsbescheide vom 5. Januar 1998 und vom 8. April 1998 erklärte der Kläger jeweils gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens.

Zur Zulässigkeit der Klage trägt der Kläger im wesentlichen vor, daß die Klageerhebung fristgerecht erfolgt sei. Das Gericht habe jedoch dem Kläger keine Frist mit ausschließender Wirkung zur Ergänzung der erforderlichen Angaben gemäß § 65 Abs. 2 FGO gesetzt. Die falsche Bezeichnung des Beklagten sei aber unschädlich, weil erkennbar sei, wer verklagt werden solle. Denn die Klageschrift bezeichne zwar das Finanzamt München A sie enthalte jedoch auch die Angabe „wegen Umsatzsteuer 1994, Steuernummer … Am 6. August 1997 habe das Gericht die Prozeßbevollmächtigte angerufen und ihr mitgeteilt, daß anhand der Steuernummer ersichtlich sei, daß der richtige Beklagte das Finanzamt München B. und nicht das Finanzamt München A. sei. Die Prozeßbevollmächtigte habe daraufhin sogleich am 6. August 1997 einen berichtigten Antrag an das Finanzgericht gefaxt. Mit gerichtlichem Schreiben vom 12. August 1997 sei die Prozeßbevollmächtigte dann über den fristwahrenden Eingang der Klage gegen das Finanzamt München B. am 4. August 1997 in Kenntnis gesetzt worden. Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung sei also seitens des Finanzgerichts die Berichtigung der Beklagtenbezeichnung als zulässig und unproblematisch betrachtet worden. Er, der Kläger, habe also darauf vertrauen können, daß die Formalien der Klageerhebung gewahrt worden seien. Im Unterschied zu dem dem Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. März 1999 V B 154/98, BFH/NV 1999, 1226, zugrundeliegenden Fall handle es sich bei dem vorliegenden Sachverhalt immer um das Finanzamt München, nur mit unterschiedlichen Spezifikationsbezeichnungen. Auch sei in dem genannten Fall des BFH lediglich eine Mitteilung zur Falschbezeichnung des Beklagten, jedoch keine Berichtigung der Klage erfolgt. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werde nicht gestellt.

Der Kläger beantragt zu entscheiden, daß die Klage zulässig ist.

Das Finanzamt München B. beantragt Klageabweisung.

Es verweist dazu auf den Beschluß des BFH in BFH/NV 1999, 1226. Weiter führt es noch aus, daß beide Klageschriften vom 1. August 1997 zu keiner zulässigen Klage führten. Die fristgerecht am 4. August 1997 eingegangene Klage bezeichne fälschlicherweise das Finanzamt München A. als Beklagten. Die zweite Klageschrift benenne zwar das Finanzamt München für Körperschaften als Beklagten, sei aber erst nach Ablauf der Klagefrist bei Gericht eingegangen.

Das Finanzamt München A. hat sich zur Klage nicht geäußert.

II.

Die Klagen sind unzulässig.

A) Klage vom 4. August 1997

Die bei Gericht am 4. August 1997 eingegangene Klageschrift vom 1. August 1997 benennt das Finanzamt München A. als Beklagten. Diese Klage ist unzulässig, da sie einen falschen Beklagten bezeichnet und ein zulässiger Wechsel des Beklagten nicht erfolgt ist.

1. Zwar ist eine nicht eindeutige Erklärung in einer Klageschrift als prozessuale Willenserklärung in gleicher Weise wie eine bürgerlich-rechtliche Willenserklärung der Auslegung zugänglich. Dabei ist nicht am buch...

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