Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Steuerfreistellung als Familienheim bei Wechsel des Wohnsitzes nach dem Erbfall. Keine Begünstigung einer vom Erblasser nie zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Allein die feste Absicht, eine Wohnung in nächster Zukunft zu eigenen Wohnzwecken beziehen zu wollen, ist der tatsächlichen Nutzung dieser Wohnung im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG auch dann noch nicht gleichzustellen, wenn die Umsetzung dieser Absicht durch konkrete Baumaßnahmen oder Umzugsvorbereitungen bereits in die Wege geleitet worden ist.
2. Zwingende objektive Hinderungsgründe können nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Befreiungsvorschrift die Selbstnutzung durch den Erblasser bis zum Eintritt des Erbfalles nur dann ersetzen, wenn diese Selbstnutzung immerhin zu einem früheren Zeitpunkt, das heißt vor Entstehung der Hinderungsgründe, tatsächlich vorgelegen hat.
3. Eine Immobilie, die bis zum Eintritt des Erbfalles überhaupt nie durch den Erblasser zu Wohnzwecken eigengenutzt worden ist, ist von dem Schutzzweck des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG nicht erfasst.
Normenkette
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 4b Sätze 1, 5
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob und in welchem Umfang der Klägerin im Rahmen der gegen sie festgesetzten Erbschaftsteuer die Steuerbefreiung unter dem Gesichtspunkt des Erwerbs des Familienheims zusteht.
Die Klägerin ist kraft Erbvertrages Alleinerbin ihres am 27. Juni 2010 verstorbenen Ehemannes, … (im weiteren Erblasser), geworden. Der umfangreiche Nachlass umfasst eine Vielzahl von in- und ausländischen Immobilien, einschließlich des Miteigentumsanteiles von ½ an dem von der Klägerin und dem Erblasser bis zu dessen Tode gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus in M, X-Straße, sowie der Miteigentumsanteile von je ½ an zwei Eigentumswohnungen in M, Y-Straße. Letzteres ist der aktuelle Wohnsitz der Klägerin. Im Laufe des Jahres 2009 fassten der Erblasser und die Klägerin den Entschluss, ihren bisherigen Wohnsitz in ihrem Einfamilienhaus aufzugeben und in den Innenstadtbereich von M zu verlegen. Zu diesem Zwecke erwarben sie die beiden o.g. damals noch fertigzustellenden Eigentumswohnungen in der Y-Straße jeweils mit notariellem Vertrage vom 20. Mai 2009 zu Miteigentum von je ½ zusammen mit insgesamt drei Tiefgaragenstellplätzen. Die größere der beiden Wohnungen (Wohnung Nr. 21) umfasst eine Wohnfläche von 156 m2 und befindet sich im 5. Obergeschoss, die kleinere Wohnung (Wohnung Nr. 14) hat eine Wohnfläche von 95 m2 und liegt im 1. Obergeschoss des Gebäudes. Bei der kleineren Wohnung handelte es sich um eine sogenannte Musterwohnung des Bauträgerunternehmens, die der Erblasser und die Klägerin im voll möblierten Zustande erwarben. Der Erblasser und die Klägerin hatten die Absicht die größere Wohnung für ihre Wohnzwecke, die kleinere Wohnung hingegen als Arbeits- und Gästeräume zu verwenden. Im Juni 2009 erteilten der Erblasser und die Klägerin einem Maklerbüro den Auftrag, sich um den Verkauf ihres Einfamilienhauses zu kümmern. In den folgenden Monaten erfolgte die Fertigstellung der größeren Wohnung. Insbesondere hatten der Erblasser und die Klägerin umfangreiche und kostenaufwendige Bodenlege- und Elektroarbeiten, sowie zahlreiche Um- und Einbauten im Wohn-, Schlaf-, Küchen- und Badbereich in Auftrag gegeben, die laut den dem Gericht vorgelegten Rechnungsbelegen endgültig erst im März 2010 abgeschlossen waren. Nach dem Sachvortrag der Klägerin war ursprünglich geplant im März/April 2010 umzuziehen. Demgegenüber hatte der Erblasser am 6. Februar 2010 anlässlich einer ärztlichen Untersuchung die Diagnose einer schweren Krebserkrankung im fortgeschrittenen Stadium erhalten und musste sich in der Folgezeit nahezu ausschließlich zur stationären Behandlung in verschiedene Kliniken begeben. Aufgrund des sich ständig verschlechternden Gesundheitszustandes des Erblassers fand der geplante Umzug zu seinen Lebzeiten nicht mehr statt. Die Klägerin bezog die Wohnungen in der Y-Straße schließlich erst nach dem Tode des Erblassers Anfang September 2010.
In ihrer am 6. Mai 2011 beim Beklagten eingereichten Erbschaftsteuererklärung gab sie unter anderem an, für ihr Domizil in der Y-Straße die Steuerbefreiung für den Erwerb des Familienheimes in Anspruch nehmen zu wollen. Den Angaben der Klägerin folgend und unter Berücksichtigung der im Wesentlichen nur geschätzten Grundbesitzwerte der im Nachlass befindlichen Immobilien setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer der Klägerin mit Bescheid vom 19. August 2011 aufgrund des bis dahin nur vorläufig ermittelten Wertes des Erwerbes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 1.048.684,30 EUR fest. Unter anderem infolge der Bekanntgabe der die im Nachlass befindlichen Immobilien betreffenden Feststellungsbescheide über die jeweiligen Grundbesitzwerte sowie der nachträgli...