rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung für Tabaksteuer wegen Beihilfe zum unzulässigen Verbringen von Zigaretten nach Deutschland
Leitsatz (redaktionell)
Für Zigaretten, die in einen anderen Mitgliedstaat der EU vorschriftswidrig eingeführt worden sind und anschließend in das deutsche Steuergebiet verbracht werden, entsteht (auch) die deutsche Tabaksteuer.
Normenkette
AO § 44 Abs. 1, §§ 71, 191 Abs. 1, § 370 Abs. 1; FGO § 102; TabStG § 19
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger zu Recht als Haftender für Tabaksteuer in Anspruch genommen wurde.
Am 16. April 2000 wurde in der Nähe von C ein Lkw kontrolliert, auf dem 24.990 Stangen unversteuerte Zigaretten vorgefunden wurden, die in 8.330 Blechdosen versteckt waren und die der Kläger besorgt hatte.
Der Beklagte (das Hauptzollamt – HZA –) nahm den Kläger deshalb mit Haftungsbescheid vom 19. Juli 2000 gem. § 71 Abgabenordnung (AO) als Gesamtschuldner für 783.686,40 DM Tabaksteuer in Anspruch, weil er am unzulässigen Verbringen der Zigaretten aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates nach Deutschland beteiligt gewesen sei.
Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts X vom 15. September 2003 wurde der Kläger wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung verurteilt, weil er 8.330 Blechdosen besorgt hatte, in denen die zuvor nach Griechenland eingeschmuggelten 24.990 Stangen Zigaretten von Dritten über Italien und Österreich nach Deutschland verbracht wurden.
Den Einspruch gegen den Haftungsbescheid wies das HZA durch Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 2005 als unbegründet zurück.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage bringt der Kläger im Wesentlichen vor, dass seine Inanspruchnahme unverhältnismäßig sei, da er nur mit einem kleinen Tatbeitrag beteiligt gewesen sei. Die Erkenntnisse aus dem Abhören seines Telefonanschlusses seien nicht verwertbar, da teilweise ohne richterliche Genehmigung abgehört worden sei. Im Übrigen sei der Haftungsbescheid auch deshalb aufzuheben, weil eine besondere Härte vorliege, da er lebensgefährlich verletzt sei.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 19. Juli 2000 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das HZA beantragt, die Klage abzuweisen.
Es weist darauf hin, dass nach den Feststellungen der Zollfahndung und im Strafurteil feststehe, dass der Kläger einen wesentlichen Tatbeitrag zum Zigarettenschmuggel geleistet habe. Eine nur anteilige Inanspruchnahme für den entstandenen Steuerschaden im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft komme deshalb nicht in Betracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung hingewiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Das HZA hat den Kläger zu Recht gemäß § 191 Abs. 1 i.V.m. § 71 AO als Haftungsschuldner für 783.686,40 DM hinterzogene Tabaksteuer in Anspruch genommen.
1. Gemäß § 71 AO haftet für verkürzte Steuern, wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da sich der Kläger bzgl. der deutschen Tabaksteuer der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO strafbar gemacht hat.
a) Hinsichtlich der streitgegenständlichen Zigaretten ist die deutsche Tabaksteuer nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO hinterzogen worden, indem die Zigaretten ohne Steueranmeldung bzw. ohne Verwendung von Steuerzeichen von Griechenland über Österreich nach Deutschland verbracht worden sind. Dadurch sind die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen, pflichtwidrig keine Steuerzeichen verwendet und Steuern verkürzt worden.
Die deutsche Tabaksteuerschuld ist nach § 19 Satz 1 Tabaksteuergesetz – TabStG – entstanden. Danach entsteht die Tabaksteuer, wenn Tabakwaren unzulässigerweise entgegen § 12 Abs. 1 TabStG, d.h. ohne Verwendung von Steuerzeichen, aus dem freien Verkehr anderer Mitgliedstaaten zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet verbracht oder versandt werden.
Vorliegend sind die Zigaretten aus dem freien Verkehr Griechenlands ohne deutsche Steuerzeichen zu gewerblichen Zwecken in das deutsche Steuergebiet verbracht worden. Der Begriff „freier Verkehr anderer Mitgliedstaaten” ist tabaksteuerrechtlicher Art; er bezeichnet den verbrauchsteuerrechtlichen Status, den die Waren durch ihre Einfuhr nach Griechenland erlangt hatten. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c der Richtlinie (EWG) Nr. 92/12 des Rates über das allgemeine System, den Besitz die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren vom 25. Februar 1992 (ABl. EG Nr. L 76/1) bewirkt auch die unrechtmäßige Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren – hier nach Griechenland – die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr. Wenn daran anschließend die Zigaretten ohne Steueraussetzungsverfahren (§ 16 Abs. 1 Sat...