Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaftliche Umsätze bei der Herstellung von Gurkensticks
Leitsatz (redaktionell)
1. § 24 UStG erfasst nur diejenigen Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftliche Dienstleistungen, auf die die Pauschalregelung des Art. 25 der 6. EG-Richtlinie Anwendung finden.
2. Ein landwirtschaftlicher Erzeuger, der selbst erzeugte übergroße Gurken nach dem Waschen und Vierteln mit Hilfe seiner Arbeitskräfte unter Einsatz von in landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise vorhandenen Mitteln und Maschinen in Gläser abfüllt, erbringt in Gestalt der Lieferung der in Gläser abgefüllten Gurkensticks insgesamt eine derartige landwirtschaftliche Erzeugung bzw. Dienstleistung.
Normenkette
UStG 1993 § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 1; EWGRL 388/77 Art. 25 Abs. 2
Tenor
1. Die Umsatzsteuer 1998 wird unter Aufhebung des Bescheids vom 27. Juni 2001 und der Einspruchsentscheidung vom 12. November 2003 auf einen Negativbetrag von 55.955,10 EUR festgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Lieferung von geviertelten Gurken in Gläsern dem Steuersatz für land- und forstwirtschaftliche Betriebe unterliegt.
Die Klägerin, deren Gesellschafter die Ehegatten X und Y sind, stellt Sauerkraut und Gurkenkonserven mit Produkten her, die im von den Ehegatten daneben betriebenen landwirtschaftlichen Betrieb (X und Y GbR) erzeugt werden.
Dabei werden übergroße Gurken zunächst zu Gurkensticks verarbeitet, indem die Gurken nach dem Waschen mit Hilfe von Schneidemaschinen geviertelt und manuell in die vom Endabnehmer der fertigen Gurkensticks zur Verfügung gestellten Gurkengläser eingesteckt werden. Diese Gläser werden dann entsprechend den jeweiligen Vorgaben des Endabnehmers mit Gewürzen und einem Sud befüllt. Anschließend werden die Gläser verschlossen und pasteurisiert. Der gesamte Herstellungsvorgang findet in einer einheitlichen Produktionsanlage statt (vgl. Protokoll über Augenscheinnahme vom 25. August 2005 in dem Verfahren 2 K 5007/03, Bl. 118 dieser FG-Akte und die Bilder hierzu, sowie die Schematische Darstellung auf Bl. 56, 244 ff der FG-Akte).
Für das Streitjahr stellte die X und Y GbR gegenüber der Klägerin am 31. Dezember 1998 eine Rechnung i.H.v. 1.014.490,50 DM zuzüglich 10 % Mehrwertsteuer i.H.v. 101.449,05 DM für die Lieferung von 2.682.454 Gläsern Gurkensticks aus. In ihrer Umsatzsteuererklärung 1998 machte die Klägerin die 101.449,05 DM als abziehbaren Vorsteuerbetrag geltend.
Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung vertrat der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Auffassung, dass die noch dem landwirtschaftlichen Betrieb der GbR als Nebenbetrieb zuzuordnende erste Be- und Verarbeitungsstufe mit dem Vierteln der Gurken ende. Das Einstecken der Gurken in die bereitgestellten Gläser hingegen stelle bereits eine gewerbliche Be- und Verarbeitung der zweiten Stufe dar und sei der Klägerin zuzuordnen. Die GbR habe deshalb nur gereinigte und zerkleinerte Gurken an die Klägerin geliefert. Demzufolge ermittelte das FA die Bemessungsgrundlage für die abziehbare Vorsteuer aus der Rechnung vom 31. Dezember 1998 über den Bezug der Gurkensticks auf der Basis des Grundpreises für die Rohware (Gurken) zuzüglich eines Zuschlags für Reinigung und Zerkleinerung und ließ nur 39.649,95 DM hieraus zum Vorsteuerabzug zu. Gleichzeitig wurden Vorsteuern aus geschätzten 100.000,- DM Sachkosten brutto i.H.v. 13.793,10 DM hinzugerechnet.
Mit Steuerbescheid vom 27. Juni 2001 setzte das FA die Umsatzsteuer 1998 auf einen Negativbetrag von 61.433,00 DM fest.
Nach erfolglosem Einspruch macht die Klägerin mit ihrer Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 12. November 2003 im Wesentlichen Folgendes geltend:
Nachdem in den Verfahren 2 K 5005/03 und 2 K 5007/03 wegen Einkommensteuer 1998 festgestellt worden sei, dass das Einstecken der Gurken noch als landwirtschaftlicher Erzeugungsprozess anzusehen sei, seien die streitgegenständlichen Lieferungen auch in umsatzsteuerlicher Hinsicht als landwirtschaftliche Umsätze zu behandeln und der Vorsteuerabzug zu 10 % aus den Abrechnung für die Gurkensticks in Gläsern zu gewähren.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 27. Juni 2001 und der Einspruchsentscheidung, für 1998 eine negative Umsatzsteuer von 55.955,10 EUR festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen
Es bringt vor, dass die Entscheidungen des 2. Senats des FG München zum Ertragsteuerrecht nicht präjudiziell für die umsatzsteuerrechtliche Einordnung der Gurkenstickproduktion seien. Diese habe vielmehr unter Beachtung von Art. 25 der 6. EG-Richtlinie zu erfolgen. Bei den Gurkensticks handle es sich weder um ein landwirtschaftliches Erzeugnis noch liege ...