rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehungszeitpunkt des Auflösungsverlustes einer Kapitalgesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Auflösungsverlust entsteht regelmäßig erst in dem Zeitpunkt, in dem die Liquidation der Kapitalgesellschaft abgeschlossen ist.

2. Ausnahmesweise ist ein früherer Zeitpunkt für die Realisierung des Auflösungsverlustes anzunehmen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits festgestellten Verlustes nicht mehr zu rechnen ist.

3. Die genaue Höhe der Anschaffungskosten steht nicht fest, wenn der Umfang der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaftsverpflichtung, die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat, nicht absehbar ist.

 

Normenkette

EStG § 17

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob und wann ein Auflösungsverlust aus einer – im Privatvermögen gehaltenen – GmbH-Beteiligung steuerlich zu berücksichtigen ist.

Die verheirateten Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.

Der Kläger war seit 7. November 1990 Alleingesellschafter der H-GmbH. Am 24. Oktober 1994 übernahm der Kläger zur Absicherung eines Darlehens der Bank A eG an die H-GmbH eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 1,6 Mio. DM.

Am … 2005 beantragte die H-GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Das Amtsgericht A ordnete mit Beschluss vom … 2005 die vorläufige Insolvenzverwaltung an. Der vom Amtsgericht bestellte vorläufige Insolvenzverwalter stellte im Massegutachten vom … Februar 2006, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, fest, dass der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Insolvenzordnung vorliegt. Des Weiteren bezifferte der vorläufige Insolvenzverwalter im Massegutachten vom 8. Februar 2006 die Bankverbindlichkeiten der H-GmbH mit 373.542,30 EUR.

Am … 2006 wurde über das Vermögen der H-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet, das bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Gerichts noch nicht abgeschlossen war.

Am 30. April 2007 zahlte der Kläger aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung 442.128,97 EUR an die Bank2. Mit Schreiben vom 8. Mai 2007 teilte die Bank2 dem Kläger mit, dass die zu diesem Zeitpunkt noch offenen Verbindlichkeiten ca. 352.000 EUR betragen würden (davon Kontokorrent 40.583,70 EUR, Zinsen 52.029,94 EUR und Avalobligo 259.702,81 EUR).

Der Insolvenzverwalter teilte mit Schreiben vom 21. April 2008 dem Kläger mit, dass dieser aufgrund der Verringerung des Bürgschaftsrisikos im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung nach §§ 32a,b GmbHG (in der im Jahr 2008 geltenden Fassung) 19.227,70 EUR der Insolvenzmasse zu ersetzen habe.

Im Jahr 2008 wurde der Kläger in Höhe von 103.267,26 EUR und im Jahr 2009 in Höhe von 611,91 EUR von der Bank2 aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung in Anspruch genommen.

Die Bank2 teilte dem Kläger mit Schreiben vom 1. April 2011 mit, dass die Bürgschaft des Klägers gegenstandslos geworden.

In der ESt-Erklärung für 2007 machten die Kläger einen Verlust bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb aus der Auflösung der H-GmbH in Höhe von 452.801 EUR, davon allein 442.128,97 EUR aufgrund der Inanspruchnahme aus der o.g. Bürgschaft, geltend. Der Wert der Beteiligung des Klägers an der H-GmbH war in diesem – vom Kläger geltend gemachten – Verlust nicht enthalten. Wegen der weiteren Einzelheiten der geltend gemachten Anschaffungskosten wird auf die von den Klägern eingereichte Anlage zur ESt-Erklärung 2007 verwiesen.

Mit Bescheid vom 16. April 2009 wurden die Kläger vom beklagten Finanzamt (FA) mit Einkünften aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und sonstigen Einkünften zusammen zur ESt veranlagt. Der bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb geltend gemachte Verlust wurde vom FA nicht berücksichtigt.

Der hiergegen erhobene Einspruch der Kläger blieb in der Einspruchsentscheidung vom 11. Oktober 2010 ohne Erfolg. Zur Begründung führte das FA im Wesentlichen aus, ein Auflösungsverlust werde in der Regel – so auch im Streitfall – erst mit Abschluss des Insolvenzverfahrens realisiert.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Bereits im Jahr 2007 habe festgestanden, dass mit einer Änderung des Verlustes nicht mehr zu rechnen sei. So ergebe sich aus dem Massegutachten sowie aus dem Schreiben des Insolvenzgutachters vom 31. März 2011 – von den Klägern mit Schriftsatz vom 8. April 2011 vorgelegt –, dass das Vermögen der H-GmbH „bei Weitem nicht ausreichen wird”, um die Gläubigerforderungen bezahlen zu können. Auch müsse der Kläger nicht mehr mit einer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft rechnen. Dies ergebe sich zum einen aus dem Schreiben der Bank2 vom 1. April 2011 mit dem diese dem Kläger mitgeteilt habe, dass die Bürgschaft über 1,6 Mio. DM gegenstandslos geworden sei und zum anderen aus einem Kontoauszug vom 8. November 2010, auf dem der Kontostand der H-GmbH – nach der Ausbuchung einer Bürgschaft in Höhe von 25.000 ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge