rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweis der Unrichtigkeit einer durch Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen. Verwertung einer Zeugenaussage in einem anderen Verfahren durch Urkundsbeweis
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Zeugenvernehmung, die in einem anderen finanzgerichtlichen Verfahren durch einen anderen Senat des Gerichts vorgenommen wurde, kann im Wege des Urkundsbeweises in das Verfahren eingeführt werden.
2. Die Beweiskraft einer Zustellungsurkunde als öffentliche Urkunde i. S. v. § 418 Abs. 1 ZPO kann nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der durch sie bezeugten Tatsachen erschüttert werden.
Normenkette
FGO § 53 Abs. 2, §§ 56, 90a; ZPO §§ 180, 418 Abs. 2
Tenor
Der Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2009 (Az. 7 K 3720/08) in Sachen Gewerbesteuermessbetrag 2002 und Umsatzsteuer 2002 wirkt als Urteil.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger gegen den Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2009 rechtzeitig einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat.
Der Kläger ist als selbstständiger Kfz-Gutachter tätig und wurde in den Streitjahren vom beklagten Finanzamt (dem Finanzamt) zur Abgabe von Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärungen aufgefordert. Nachdem er dieser Aufforderung nicht nachkam, schätzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) stehenden Bescheiden über Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2002 vom 29. September 2004. Dagegen erhob der Kläger Einspruch und reichte eine Umsatzsteuererklärung ein. Eine Erklärung über Gewerbesteuermessbetrag reichte er nicht ein, da er die Auffassung vertrat, keine gewerbliche Tätigkeit auszuüben. Am 18. März 2005 erließ das Finanzamt geänderte Bescheide über Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2002.
Am 10. Juli 2007 führte das Finanzamt beim Kläger eine betriebsnahe Veranlagung durch. Der Prüfer schätzte den Gewinn aus Gewerbebetrieb für 2002 auf 55.000 EUR. Die Umsatzsteuer 2002 schätzte es auf 13.480 EUR. Aufgrund der Prüfung erließ das Finanzamt am 17. August 2007 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Dagegen erhob der Kläger Einspruch. Am 23. Juni 2008 ging beim Finanzamt eine vom Kläger unterschriebene Umsatzsteuererklärung 2002 ein. Die Umsatzsteuer wurde darin in Höhe von 10.808,24 EUR berechnet. Außerdem gab er im Rahmen der abgegebenen Einkommensteuererklärung 2002 eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ab, in der er einen Gewinn in Höhe von 73.590 EUR als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit erklärte.
Mit Schreiben vom 19. August 2008 distanzierte sich der Kläger von der Umsatzsteuererklärung 2002 und Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für 2002. Diese habe ein Berater erstellt, dem zahlreiche Fehlbuchungen unterlaufen seien, verschiedene Kosten seien nicht berücksichtigt worden und die 1 %-Regelung trotz eines Fahrtenbuches angewandt worden. Das Finanzamt fordert den Kläger mehrmals auf, die angekündigte berichtigte Steuererklärung und Gewinnermittlung vorzulegen. Da dieser der Aufforderung nicht nachkam, erließ es am 22. Oktober 2008 eine Einspruchsentscheidung, in der die Umsatzsteuer 2002 auf 10.808,24 EUR herabgesetzt, der Gewerbesteuermessbetrag 2002 auf 1710 EUR erhöht und der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Dagegen erhob der Kläger Klage, ohne sie zu begründen. Eine Begründung sollte nachgereicht werden. Nach mehrmaliger erfolgloser Aufforderung zur Klagebegründung wurde dem Kläger mit Anordnung vom 5. März 2009 gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 30. April 2009 zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens gesetzt. Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde die Anordnung dem Kläger am 11. März 2009 zugestellt. Da der Kläger innerhalb der gesetzten Frist keine Klagebegründung nachreichte, erließ der Berichterstatter am 7. Mai 2009 einen Gerichtsbescheid, in welchem die Klage als unzulässig abgewiesen wurde. Die Zustellung des Gerichtsbescheids erfolgte ausweislich der Postzustellungsurkunde am 14. Mai 2009 mittels Einlegen in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtungen durch die Postbedienstete E.
Mit Schriftsatz vom 24. November 2010, bei Gericht eingegangen am 29. November 2010, hat der Klägerin Wiedereinsetzung in das Verfahren und die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er sei aus unverschuldeten Gründen gehindert gewesen, gegen den Gerichtsbescheid fristgerecht Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen, da er diesen nicht erhalten habe. An seinem Anwesen befinde sich kein Briefkasten, der für den Empfang von Poststücken geeignet und ihm zugeordnet werden könne. Die gerichtliche Entscheidung sei ihm zu keinem Zeitpunkt formell ordnungsgemäß zugestellt worden. Hierzu legt er eine eidesstattliche Versicherung vor und beantragt die Postzustellerin Frau E als Zeugin zu vernehmen.
Der Kläger b...