rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Flügel für 30,000 EUR als Arbeitsmittel einer vollzeitlichen Musiklehrerin
Leitsatz (redaktionell)
Ein in gebrauchtem Zustand für 30.000 EUR erworbener, 212 cm langer Flügel kann für eine vollzeitlich als Musiklehrerin an einem Gymnasium tätige Steuerpflichtige ein Arbeitsmittel i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG darstellen, wenn er u. a. nur zur Vorbereitung des Schulunterrichts (Begleitung von Instrumentalschülern, Erteilung von zwischen drei und sechs Wochenstunden Instrumenalunterricht Klavier) und nicht zur Erteilung von Privatunterricht verwendet wird, nach der glaubhaften Bestätigung des Schulleiters für rund 60 % des gesamten Musikunterrichts in den Klassen ein Flügel benötigt wird und eine entsprechende Vorbereitung am Flügel zu Hause erforderlich ist, und wenn die „private” Nutzung des Instruments unstreitig unter 10 % der Gesamtnutzung liegt (im Streitfall: Werbungskostenabzug der Aufwendungen für das Stimmen des Flügels sowie der auf Basis einer Nutzungsdauer des Flügels von 15 Jahren berechneten Absetzungen für Abnutzung).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nrn. 6-7, S. 1, Abs. 5, § 12 Nr. 1 S. 2, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 7
Tenor
1. Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2004 vom 25. November 2005, 2005 vom 6. Oktober 2006 und 2006 vom 4. Juli 2007 sowie der dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 31. August 2008 werden die Einkommensteuern 2004 auf 12.884 EUR, 2005 auf 12.760 EUR und 2006 auf 14.852 EUR herabgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Absetzung für Abnutzung (AfA) für einen Flügel sowie die Aufwendungen für das Stimmen des Flügels als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin anzuerkennen sind.
Die verheirateten Kläger erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Standesbeamte (Kläger) bzw. als vollzeitliche Musiklehrerin am A-Gymnasium (Klägerin) und wurden vom Finanzamt (FA) B zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt. Ausweislich der vorgelegten Stundenpläne unterrichtete die Klägerin im Schuljahr 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006 tatsächliche 27 Wochenstunden, davon u.a. sechs, fünf bzw. zwei Stunden Klavierunterricht am Flügel, im Schuljahr 2006/2007 tatsächliche 28 Wochenstunden, davon u.a. 3 Stunden Klavierunterricht am Flügel. Daneben erteilte sie Saxophon- und Klarinettenunterricht. Hinsichtlich der Zusammensetzung des Unterrichts im Einzelnen wird auf die Bestätigung des Schulleiters vom 19. November 2007 samt Anlagen und den Schriftsatz vom 18. Mai 2009 Bezug genommen.
In ihren ESt-Erklärungen für die Streitjahre machte die Klägerin u.a. für einen im Jahr 2004 für 30.000 EUR erworbenen B-Flügel der Firma C (Neupreis 2004 laut telefonischer Auskunft der Firma C vom 14. Mai 2009: 52.500 EUR) bei einer Nutzungsdauer von 15 Jahren Aufwendungen für AfA i.H.v. 833,33 EUR (2004), und jeweils 2.000 EUR (2005 und 2006) sowie Aufwendungen für das Stimmen des Flügels i.H.v 90,02 EUR (2006) als Werbungskosten geltend. Im Rahmen des Erwerbs des Flügels hatte die Klägerin ihr Klavier mit einem Wert von 2.465,27 EUR in Zahlung gegeben.
Das FA erkannte die geltend gemachten Aufwendungen für den Flügel nicht an, da es sich um kein typisches Arbeitsmittel handle und eine berufliche Nutzung nur in geringem Umfang angenommen werden könne, und setzte die Einkommensteuern 2004 mit Bescheid vom 25. November 2005 mit 13.168 EUR (zu versteuerndes Einkommen – zvE –: 63.713 EUR), 2005 mit Bescheid vom 21. September 2006 mit 13.940 EUR (zvE: 67.113 EUR) und 2006 mit Bescheid vom 11. Mai 2007 mit 15.565 EUR (zvE: 71.965 EUR) erstmalig fest. Die Bescheide 2005 und 2006 änderte es unter dem Datum vom 6. Oktober 2006 nach § 129 Abgabenordnung (AO) bzw. auf den Antrag der Kläger unter dem Datum vom 4. Juli 2007 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO und setzte die Steuer mit 13.418 EUR (zvE: 65.550 EUR) bzw. 15.543 EUR (zvE: 71.902 EUR) fest. Die dagegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos (vgl. zusammengefasste Einspruchsentscheidung 2004 und 2005 bzw. Teileinspruchsentscheidung 2006 vom 31. Januar 2008).
Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Kläger weiterhin die Anerkennung der Aufwendungen für den Flügel als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin begehren. Zu Begründung tragen sie vor, die Voraussetzungen für die Anerkennung des Flügels als Arbeitsmittel lägen vor. Die Klägerin nutze den Flügel zu Hause zur Vorbereitung des Musikunterrichtes durchschnittlich zwei Stunden pro Arbeitstag, gelegentlich auch am Wochenende, wobei die Benutzungszeit je nach den Umständen schwanke. Eine Nutzung durch den Kläger scheide aus, da d...