Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlangung der wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG. Grunderwerbsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Eine eigentümergleiche Stellung ist für das Erlangen der wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis nicht erforderlich.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 2; BGB § 313; AO § 41
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob ein Erwerbsvorgang im Sinne von § 1 Abs. 2 GrEStG vorliegt.
Die Klägerin schloss am 04.03.2002 mit den Eheleuten I. und K. G. einen Bauwerkvertrag über die Errichtung einer Doppelhaushälfte auf der Westseite des Grundstücks R. in xxxxxzu einem Festpreis von 255.000 EUR. In § 4 des Bauwerkvertrages wurde für die Bezahlung des Festpreises eine Verrechnung mit der Osthälfte des Grundstücks (FlNr. xxxx) vereinbart, welche von der Klägerin entweder mit notarieller Urkunde des Notars Dr. xxxx erworben werden konnte oder deren Verkauf an einen Dritten durch einen Beitritt zum Veräußerungsvertrag ermöglicht werden sollte. Weiter wurde vereinbart, dass
- • mit der Bebauung der Westhälfte des Grundstücks der entsprechende Gegenwert der östlichen Grundstückshälfte vollständig bezahlt ist;
- •der Bauwerkvertrag unwirksam ist, falls keine der beiden vorgenannten notariellen Urkunden für die Osthälfte des Grundstücks zustande kommt;
- •mit dem Bau im März 2002, frühestens aber nach Bestandskraft der Baugenehmigung, begonnen wird.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26.11.2002 verkaufte die Klägerin als Veräußerin den Vertragsgegenstand (Osthälfte des Grundstücks mit FlNr. xxxx zzgl. Bebauung mit einerm Doppelhaushälfte) für 660.000 EUR an die Ehegatten F.. Die Grundstückseigentümerin, Frau G. trat, wie im o.g. Bauvertrag vorgesehen, dem Vertrag bei. Laut Abschnitt VI 2b) hatten die Bauarbeiten bereits begonnen. Der gesamte Kaufpreis i.H. von 660.000 EUR war nach Abschnitt VI 2b. und 5. der Urkunde in Raten auf ein Konto der Klägerin zu entrichten.
Im Rahmen des rechtlichen Gehörs wurde die Klägerin vom Finanzamt darauf hingewiesen, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt sein könnte. Die Klägerin verwies dazu auf den Bauwerksvertrag und bestritt, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt sei, da sie keine Befugnis für die Verwertung der Grundstückshälfte auf eigene Rechnung gehabt habe.
Mit Bescheid vom 14.04.2003 setzte das Finanzamt wegen der Erlangung der Verwertungsbefugnis Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 2 GrEStG gegen die Klägerin i.H. von 8.925 EUR aus einer Gegenleistung von 255.000 EUR fest.
Mit dem Einspruch (Schr. vom 28.04.2003, Bl. 34 f FA-Akte) machte die Klägerin geltend, die östliche Grundstückshälfte sei nicht auf eigene Rechnung verkauft worden. Es sei eine Kaufpreisabtretung, Zug um Zug gegen Erstellung einer Doppelhaushälfte, erfolgt. Der Zeitpunkt der Abtretung sei zudem aufschiebend bedingt gewesen. Zugunsten der Klägerin habe weder ein Nutzungs- noch ein Veräußerungsrecht bestanden. Die Familie G. habe jederzeit frei entscheiden können, ob sie dem Kaufvertrag beitrete oder nicht und damit selbst die Verwertungsbefugnis inne gehabt. Diese Vorgehensweise habe im Interesse der Familie G. gelegen, da diese die Entscheidung, wer die neuen Nachbarn sein sollten, mittragen wollte.
Das Finanzamt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 10.10.2003 (Bl. 41 f FA-Akte) als unbegründet zurück.
In § 4 des Bauwerkvertrages sei der Klägerin die Möglichkeit zur Verwertung des Teilgrundstücks auf eigene Rechnung eingeräumt worden. Mit dem Verkauf vom 26.11.2002 nebst Einwilligung der Grundstückseigentümerin sei die Verwertung tatsächlich durchgeführt worden. Von der Option, das Grundstück selbst „ganz normal” zu kaufen und bebaut weiter zu verkaufen, habe die Klägerin nicht Gebrauch gemacht.
Dies stehe dem Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG ebenso wenig entgegen, wie die zunächst fehlende notarielle Beurkundung sowie die aufschiebende Bedingung bezüglich der Wirksamkeit des Bauvertrages und des Erwerbs bzw. der Erlangung der Verwertungsmöglichkeit bezüglich der Osthälfte des Grundstücks. Mit Abschluss des Kaufvertrages sei der Bauvertrag wirksam geworden und die Klägerin habe spätestens zu diesem Zeitpunkt die Verwertungsmöglichkeit im Sinne von § 1 Abs. 2 GrEStG (BStBl II 1986, 417) erlangt.
Dafür spreche auch, dass die Klägerin im Vertrag vom 26.11.2002 als Verkäufer aufgetreten sei und bereits längere Zeit zuvor mit der Bebauung des Grundstücks begonnen habe. Ohne entsprechende Verwertungsbefugnis habe die Klägerin nicht als Verkäufer auftreten können.
Da bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages im November 2002 mit dem Bau des Doppelhauses bereits begonnen worden war, habe die Unwirksamkeit des Bauvertrages zu diesem Zeitpunkt kein Thema mehr sein können. Es habe vielmehr nur mehr die Möglichkeit zwischen dem Erwerb der Osthälfte durch die Klägerin selbst oder zum Beitritt zu einem Kaufvertrag mit einem Dritten durch Frau G. bestanden. Deshalb stünden die Rechtsgeschäfte ...