rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Bindung der Familienkasse an Einkommensteuerbescheid des Kindes. Rechtsreferendariat als kindergeldrechtliche Berufsausbildung. Werbungskostenabzug für Fahrtkosten
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Familienkasse ist bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge eines volljährigen, kindergeldrechtlich berücksichtigungsfähigen Kindes nicht an die Einkünfteermittlung im Einkommensteuerbescheid des Kindes gebunden.
2. Sind Werbungskosten des Kindes trotz mehrmaliger Aufforderung der Familienkasse nicht nachgewiesen worden, so kann das Gericht nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins auf den Nachweis der Werbungskosten und weiteren einkunftsmindernden Ausgaben im Einzelnen verzichten, wenn ein Erfahrungssatz vorliegt, dass bestimmte typische Sachverhalte bestimmte Folgen auslösen oder umgekehrt bestimmte Folgen auf einen typischen Geschehensablauf hindeuten und dieser Erfahrungssatz geeignet ist, die volle Überzeugung des Gerichts vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache zu begründen. Dieser Anscheinsbeweis kann durch substantiierte Einwände der Familienkasse erschüttert werden, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergeben könnte.
3. Unter Heranziehung der Grundsätze des Anscheinsbeweises steht fest, dass in Bayern einem Rechtsferendar im juristischen Vorbereitungsdienst typischerweise Fahrtkosten für die Wege zwischen seinem Wohnort und dem Justizausbildungszentrum München, beim Aufsuchen seiner regelmäßigen Arbeitsstätte im juristischen Vorbereitungsdienst sowie beim Aufsuchen von diversen Bibliotheken und Repetitorien entstehen; insoweit kommt auch ohne Nachweis ein Werbungskostenabzug in Betracht.
4. Der juristische Vorbereitungsdienst als Rechtsreferendar zählt zur juristischen Berufsausbildung.
Normenkette
EStG 2004 § 32 Abs. 4 Sätze 2, 1 Nr. 2 Buchst. a; FGO §§ 79b, 96 Abs. 1; AO 1977 § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tenor
1. Die Beklagte wird verpflichtet, Kindergeld für das Kind xxx des Klägers für Januar bis April 2001 festzusetzen und zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist inzwischen nur noch, ob der Kläger für seinen Sohn xxx(geboren am 20.05.1974) für Januar bis April 2001 dem Grunde nach noch kindergeldberechtigt ist und ob xxx in diesem Zeitraum über eigene Einkünfte und Bezüge verfügte, die dem Kindergeldbezug entgegenstehen.
Die beklagte Familienkasse hob mit Bescheid vom 16.08.2000 die Kindergeldfestsetzung für xxx ab Januar 1998 wegen fehlender Studienbescheinigungen und Nachweise über Einkünfte und Bezüge auf und forderte den Kläger zur Erstattung des über diesen Zeitpunkt hinaus gezahlten Kindergelds auf. Der Kläger legte diese Nachweise im Einspruchsverfahren nicht vor, worauf die Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 02.02.2005 zurückwies. Mangels Mitwirkung müsse von einem Überschreiten der Einkunftsgrenzen ausgegangen werden.
Im Klageverfahren legte der Kläger auf gerichtliche Anordnung nach § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) für xxx Studienbescheinigungen, Einkunftsnachweise und Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2001, eine Bescheinigung der LMU über die Beendigung des Studiums zum 30.09.2001 und den Beginn des Rechtsreferendariats zum 06.04.2001 vor. Daraufhin nahm die Beklagte von einer Aufhebung und Rückforderung des Kindergelds für 1999 und 2000 Abstand; das Verfahren für diese Jahre wurde abgetrennt. Für 2001 trägt der Kläger vor, xxx habe Einkünfte aus selbständiger Arbeit von 1.600 DM, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Rechtsreferendar von 15.408 DM sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen von 4.403 DM bezogen. Nach Abzug der im Einkommensteuerbescheid 2001 berücksichtigten Werbungskosten und des Sparer-Freibetrags hätten die Einkünfte 10.975 DM betragen.
Mit erneuter Anordnung nach § 79b Abs. 2 FGO wurde der Kläger aufgefordert, die Werbungskosten von xxx ab dem Beginn des Referendariats zu erläutern und zu belegen und die im Jahr 2001 ggf. auch entrichteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung mitzuteilen. Daraufhin übersandte der Kläger eine von ihm erstellte Auflistung der Werbungskosten von xxx aus nichtselbständiger Arbeit über insgesamt 7.238,14 DM für Fahrtkosten, Assessorkurs, Telefon, Porti, Schreibwaren sowie eine sechstägige Dienstfahrt nach Istanbul. Diese Fahrt sei Bestandteil der Referendarausbildung im juristischen Vorbereitungsdienst gewesen. Hierzu legte der Kläger die Abschrift einer Sammelrechnung für 36 Teilnehmer der Arbeitsgemeinschaft sowie den Arbeitsgemeinschaftsleiter vor. Im Rahmen der Tätigkeit als Korrekturassistent bei einem juristischen Repetitorium habe xxx weitere Aufwendungen von ...