Entscheidungsstichwort (Thema)
Unberechtigter Ausweis von Umsatzsteuer in Gutschriften über nicht ausgeführte Leistungen. Gefährdungshaftung des Gutschriftsempfängers
Leitsatz (redaktionell)
1. Die in § 14 Abs. 3 UStG a.F. vorgesehene Gefährdungshaftung ist auch auf Gutschriften über nicht ausgeführte Leistungen anwendbar.
2. Der bewusste Verzicht auf Kenntnisnahme von der Gutschrift reicht jedenfalls dann aus, um als Gutschriftempfänger in Anspruch genommen werden zu können, wenn der Empfänger auf die Übermittlung der Gutschriften konkludent verzichtet und deren Existenz nicht nur akzeptiert, sondern den Anschein einer zu Recht mit Gutschrift abgerechneten entgeltlichen Leistung sogar bekräftigt hat, indem Schecks über die Scheinentgelte entgegennahm und einlöste.
4. Schuldner der in den Gutschriften unberechtigt ausgewiesenen Steuerbeträge ist gem. § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG a.F. nur der Empfänger, nicht hingegen auch der Aussteller der Gutschrift.
Normenkette
UStG 1999 § 14 Abs. 3, 5
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt – FA –) den Kläger zu Recht wegen unberechtigtem Steuerausweis in Gutschriften in Anspruch genommen hat.
Der Kläger war bereits nach seinem Schulabschluss im Schrotthandel tätig, da seine Eltern einen Metallgroßhandel betrieben, den er bis 1992 weiterführte. Ab 1998 war er wieder im Schrotthandel aktiv und meldete im Februar 2000 einen Handel mit unedlen Metallen und Schrott an.
Neben tatsächlich durchgeführten Schrotthandelsgeschäften, erhielt der Kläger von verschiedenen Schrotthandelsfirmen im Einflussbereich von Herrn D (D-GmbH, S-GmbH, G-GmbH, N-GmbH, nachfolgend: D-Firmen) Schecks für Schrottlieferungen, die tatsächlich nicht stattfanden. Wie mit Herrn D vereinbart, löste er die Schecks ein, hob das Geld bar ab und gab es – abzüglich einer individuell ausgehandelten „Provision” (in den Streitjahren: 5 % der Nettosumme) – inklusive Umsatzsteuer Herrn D zurück.
Vereinzelt erhielt der Kläger von den D-Firmen mit den Schecks entsprechende Gutschriften mit Umsatzsteuerausweis.
Insgesamt wurden in 2000 Abdeckrechnungen (Gutschriften) in Höhe von insgesamt 1.857.309 EUR mit darin enthaltener Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 256.181 EUR (= 501.046 DM) und in 2001 in Höhe von insgesamt 570.296 EUR mit darin enthaltener Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 78.662 EUR (= 153.849 DM) erstellt.
Bei den Schrotthandelsfirmen wurden die in den Abdeckrechnungen ausgewiesenen Schrottmengen als Wareneinkauf und die ausgewiesene Umsatzsteuer als abzugsfähige Vorsteuer verbucht. Eine Rückzahlung der geltend gemachten Vorsteuern durch die Schrotthandelsfirmen erfolgte für die Streitjahre – zumindest in den Streitjahren – nicht.
Mit seinen Umsatzsteuererklärungen für 2000 vom 7. Dezember 2001 und für 2001 vom 30. Oktober 2002, denen das FA zustimmte, erklärte der Kläger steuerpflichtige Umsätze aus dem Metallhandel ohne Berücksichtigung der fingierten Schrottlieferungen und Provisionen.
Aufgrund der Selbstanzeige des Klägers vom 17.Oktober 2007 setzte das FA mit Änderungsbescheiden vom 27. September 2012 unter Erhöhung der steuerpflichtigen Umsätze um 1.601.128 EUR (= 3.131.534 DM) für 2000 und um 491.634 EUR (= 961.552 DM) für 2001 die Umsatzsteuer für 2000 mit 261.943,01 EUR (= 512.316 DM) und für 2001 mit 92.169,05 EUR (= 180.267 DM) fest.
Die Einsprüche gegen diese Umsatzsteuerfestsetzungen und gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung wies das FA mit Einspruchsentscheidungen vom 7. Oktober 2013 als unbegründet zurück.
Mit der Klage wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig seien. Der Kläger sei zwar als Rechnungsaussteller zu behandeln und damit ebenfalls Umsatzsteuerschuldner, die Einspruchsentscheidung lasse im Hinblick auf die Auswahl des Klägers als Steuerschuldner aber jegliche Begründung vermissen und sei willkürlich. Das für die D-Firmen zuständige Finanzamt R sei in die Ermessensentscheidung des FA nicht mit einbezogen worden. Zudem sei die Inanspruchnahme des Klägers auch unbillig, da er mittellos sei und ihm – abgesehen von den „Provisionen” – die in den Gutschriften ausgewiesenen Beträge nie zugeflossen seien.
Außerdem habe das Finanzamt noch nicht über den Antrag auf Berichtigung der unberechtigt ausgewiesenen Steuer entschieden bzw. mitgeteilt, ob eine Rückforderung der zu Unrecht erstatteten Steuern bei den D-Firmen erfolglos versucht worden sei. In jedem Falle könne der Kläger nicht auf das Berichtigungsverfahren verwiesen werden, da er durch seine Selbstanzeige die Voraussetzungen für die Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens geschaffen habe und eine eventuell verzögerte und deswegen erfolglose Inanspruchnahme der D-Firmen durch das FA von ihm nicht zu vertreten sei.
Im Übrigen sei § 14 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz in der in den Streitjahren geltenden Fassun...