Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der rückwirkenden Berichtigung von Rechnungen, denen die Angabe der Steuernummer und der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistenden fehlt
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Recht auf Vorsteuerabzug aus einer berichtigten Rechnung kann für das Jahr ausgeübt werden, in dem diese Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde.
2. Berichtigt der Unternehmer eine Rechnung nach § 31 Abs. 5 UStDV, wirkt dies auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung erstmals ausgestellt wurde, sofern die ursprüngliche Rechnung zumindest Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthalten hat (Anschluss an EuGH- und BFH-Rspr.); im Streitfall: nachträgliche Ergänzung der Steuernummer des Rechnungserstellers auf den Eingangsrechnungen.
3. Eine Rechnung kann noch bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG berichtigt werden.
4. Wenn berichtigungsfähige Rechnungen vorliegen und keine Anhaltspunkte für das Begehen einer Steuerhinterziehung oder eines Missbrauchs des Umsatzsteuerrechts bestehen, ist der Vorsteuerabzug aus berichtigten, formal aber weiter mangelhaften Rechnungen (im Streitfall: Fehlen von Angaben zum Leistungszeitpunkt; teils unzureichende Leistungsbeschreibungen) dann zu gewähren, wenn der Steuerpflichtige noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung weitere Unterlagen vorgelegt hat, welche die Feststellung des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug zur Überzeugung des Gerichts ermöglichen.
Normenkette
UStG 2005 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 4 S. 1 Nrn. 2, 5-6; UStDV § 31 Abs. 5 S. 1; MwStSystRL 168 Buchst. a; MwStSystRL Art. 178 Buchst. a, Art. 219, 226 Nr. 3; EWGRL 388/77 Art. 17 Abs. 2 Buchst. a, Art. 18 Abs. 1 Buchst. a, Art. 22 Abs. 3 Buchst. b; EWGRL 388/77 Art. 22 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 5 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide für 2005 und 2006 jeweils vom 14. Februar 2012 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2014 wird die Umsatzsteuer für 2005 um … EUR und für 2006 um … EUR herabgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob Rechnungen, denen die Angabe der Steuernummer und der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistenden fehlt, rückwirkend berichtigt werden können.
Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom … gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in …. Sie ist im Handelsregister des Amtsgerichts unter der Nummer HRB … eingetragen; Geschäftsführerin ist Frau …. Der Gegenstand der Geschäftstätigkeit der Klägerin ist die ….
In ihrer am 27. Februar 2007 (Frühleerung) bei dem Beklagten (im Folgenden: FA) eingegangen Umsatzsteuererklärung für 2005 errechnete die Klägerin eine negative Umsatzsteuer von … EUR; abzugsfähige Vorsteuern gab die Klägerin dabei in Höhe von … EUR an. In ihrer am 15. Januar 2008 (Frühleerung) bei dem FA eingegangen Umsatzsteuererklärung für 2006 errechnete die Klägerin eine negative Umsatzsteuer von … EUR; abzugsfähige Vorsteuern gab die Klägerin dabei in Höhe von … EUR an.
In einer am 3. Dezember 2009 begonnenen Außenprüfung – deren Gegenstand unter anderem die Umsatzsteuer für 2005 und 2006 war – stellte der Prüfer fest, dass die Eingangsrechnungen der Firmen L und der A weder die Steuernummer noch die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) des Leistenden enthielten. Der Prüfer teilte der Klägerin mit Schreiben vom 15. Juni 2011 daraufhin mit, dass es insoweit an den Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs fehle und dieser daher bei der Umsatzsteuer 2005 in Höhe von … EUR und bei der Umsatzsteuer 2006 in Höhe von … EUR zu kürzen sei. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Rechnungen:
Mit Schreiben vom 4. Juli 2011 übersandte der damalige Steuerberater der Klägerin 34 berichtigte Rechnungen der A, die ursprünglichen Rechnungen waren jeweils um die Steuernummer ergänzt worden. Eine berichtigte Rechnung der Firma L wurde nicht vorgelegt, da dieses Unternehmen für die Klägerin – nach Angabe des Steuerberaters – nicht mehr erreichbar gewesen sei. Die Klägerin akzeptierte daraufhin die Streichung des Vorsteuerabzugs i.H.v. … EUR aus dieser Rechnung.
Im Prüfungsbericht vom 4. November 2011 kürzte der Prüfer dennoch auf Grund der vorgenannten Prüfungsfeststellungen die Vorsteuer bei der Umsatzsteuer 2005 um EUR und bei der Umsatzsteuer 2006 um EUR. In den Erläuterungen dieses Berichts führt der Prüfer dazu aus, dass die berichtigten Rechnungen erstmals im Besteuerungszeitraum der Umsatzsteuer 2011 vorlagen und der Vorsteuerabzug ...