rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten wegen möglicher Schadensersatzansprüche
Leitsatz (redaktionell)
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin am Bilanzstichtag ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen musste. Aufgrund des im Klageverfahren vorgelegten Schreibens ist belegt, dass die – mögliche – Geltendmachung von Haftungsansprüchen bereits vor Erstellung der Bilanz zum 31.12.2008 am 11.12.2009 bekannt gewesen ist. Der Umstand, dass trotzdem keine Rückstellung bilanziert worden ist, zeigt, dass der steuerliche Vertreter nicht ernsthaft mit einer Inanspruchnahme gerechnet hat und seiner Ansicht nach keine inhaltlich und zeitlich hinreichend konkretisierte wirtschaftliche Last der Klägerin bestanden hat.
Normenkette
HGB §§ 247, 266; EStG § 5 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob zum 31. Dezember 2008 und 31. Dezember 2009 jeweils eine gewinnmindernde Rückstellung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in den Steuerbilanzen der Klägerin zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin ist eine GmbH und wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 10. August 1989 von T mit einem Stammkapital von 50.000 DM gegründet. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Großhandel mit medizinischen und orthopädischen Artikeln, Dental- und Laborbedarf. T ist seit 1998 Alleingesellschafter und seit dem 2. Mai 1990 der alleinige Geschäftsführer der Klägerin. Die Bilanzen der Klägerin für die Streitjahre wurden am 11. Dezember 2009 (zum 31. Dezember 2008) bzw. am 17. Januar 2011 (zum 31. Dezember 2009) von ihrem damaligen Steuerberater M erstellt.
Den – vorliegend nicht streitigen – Feststellungen einer Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2009 (vgl. BP-Bericht vom 20. Dezember 2011) folgend erließ das Finanzamt am 2. Februar 2012 gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide zur Körperschaftsteuer 2008 und 2009, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2009, zum Gewebesteuermessbetrag 2008 und 2009 sowie über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2009.
Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 1. März 2013 erstmals, zum 31. Dezember 2008 und zum 31. Dezember 2009 jeweils eine Rückstellung gemäß § 249 Handelsgesetzbuch (HGB) i.V.m. § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG in der Steuerbilanz wegen drohender Schadensersatzforderungen der Firma A GmbH an die Firma D mit Sitz in Dubai zu berücksichtigen. Die A GmbH habe den Schaden erstmals im Jahr 2008 festgestellt und die Lieferungen an die D eingestellt. Außerdem habe sie mit Klage gedroht. In der Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember 2008 hätte wegen der Ankündigung der D, den Schaden weiterzureichen, eine entsprechende Rückstellung in Höhe von 3,46 Mio. EUR gebildet werden müssen. Die erhobenen Schadensersatzforderungen seien im Zeitpunkt der Bilanzerstellung zwar der Geschäftsführung der Klägerin, nicht jedoch ihrem steuerlichen Vertreter, der mit der Erstellung der Bilanz beauftragt worden sei, bekannt gewesen. Die Konkretisierung der Schadenshöhe im Strafverfahren sei als wertaufhellende Tatsache zu verstehen und die Rückstellung daher im Jahr 2008 mit dem im Strafverfahren genannten Schadensbetrag einzustellen. Die Ansätze seien in den Folgejahren fortzuführen. Die Dauer des Verfahrens werde ausgehend vom Bilanzstichtag 31. Dezember 2008 auf fünf Jahre geschätzt.
Das Finanzamt traf daraufhin aufgrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft (vgl. Anklageschrift vom 11. Januar 2012) folgende Feststellungen:
T war neben seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Klägerin auch „Managing Director” der D, deren gesetzlicher Vertreter war S. Im Zeitraum August 2005 bis Mai 2008 bestellte T namens der D bei der A GmbH pharmazeutische Artikel für die angebliche Lieferung nach Dubai. Die Mitarbeiter der A GmbH kommissionierten sodann die Ware, erledigten die Zollabwicklung, schickten eine Auftragsbestätigung an die D und stellten die Artikel zur Abholung bereit. Bis April 2008 wurden die Pharmazeutika nach Eingang des Rechnungsbetrages durch die von der D beauftragten Speditionen bei der A GmbH abgeholt. Die Speditionen lagerten die Ware zunächst in Lagerräumen im Inland zwischen, sortierten und verpackten sie auf Wunsch neu und stellten sie zum Zwecke der Selbstabholung bereit. Die D verkaufte die Artikel an die Klägerin, diese wiederum an Unternehmen im Inland. Zwischen der A GmbH und der Klägerin wurden keine Verträge abgeschlossen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hätte die A GmbH bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände niemals eine Produktlieferung ausgeführt. Da der A GmbH seitens der D versichert worden sei, dass die Waren für den Export in Drittländer bestimmt seien, hatte die A GmbH der D Exportrabatte in Höhe von 1.378.712,28 EUR gewährt. A...