rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Kirchensteuer. Grenzen der individuellen Religionsfreiheit. Individuelle Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) durch die kollektive Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG) der Kirchen und ihr Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) begrenzt.. Kirchensteuer 1999
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Kirchensteuergesetz, insbesondere § 8 Abs. 1 Satz 2, ist verfassungsgemäß.
2. Die individuelle Religionsfreiheit ist begrenzt durch die kollektive Religionsfreiheit der Kirchen und ihr Selbstbestimmungsrecht.
Normenkette
KiStG BY § 8 Abs. 1 S. 2; GG Art. 4 Abs. 1-2, Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die katholische Klägerin wurde mit geändertem Kirchensteuerbescheid vom 20. August 2001 zur Kirchensteuer (KiSt) veranlagt (Höhe der Schuld: 121,30 DM). Gegen den ursprünglichen Bescheid vom 17. Juli 2001 (Schuld 1.441,60 DM) wandte sie sich mit dem Argument, dass sie als Frau mit wesentlich weniger Rechten nicht bereit sei, eine gleich hohe KiSt zu bezahlen wie ein Mann.
Der Einspruch blieb erfolglos (s. Einspruchsentscheidung –EE– vom 13. Februar 2002, Bl. 5 f. FG-Akte).
Mit ihrer Klage macht die Klägerin diverse verfassungsrechtliche Bedenken gegen einige Bestimmungen des Bayerischen Kirchensteuergesetzes (KirchStG; insbes. Art. 8 Abs. 1 Satz 2) geltend, welche gegen Grundrechte der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 und 4 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen sollen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 10. Mai 2002 verwiesen. Ergänzend wird im Schriftsatz vom 22. November 2002 geltend gemacht, die „Ordnung über die Erhebung von Kirchensteuern in den bayerischen (Erz)Diözesen (DKirchStO)” vom 22. März 1995 i.d.F. vom 21. September 1995, insbesondere deren Art. 6, sei mangels demokratischer Legitimation der kirchlichen Organe verfassungswidrig und damit nichtig.
Die Klägerin beantragt,
- den KiSt-Bescheid 1999 vom 20. August 2001 und die EE vom 13. Februar 2002 aufzuheben;
- das Verfahren auszusetzen und die Rechtssache gem. Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des KirchStG (insbes. des Art. 8 Abs. 1 Satz 2) vorzulegen;
- hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Das Kirchensteueramt (KiStA) beantragt, die Klage abzuweisen.
Es tritt in den Schriftsätzen vom 19. Juni und 26. November 2002 der Argumentation der Klägerin entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Das KirchStG, insbes. dessen Art. 8 Abs. 1 Satz 2, ist verfassungsgemäß. Die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten ignorieren völlig die Kirchenrechtsartikel der Weimarer Verfassung (WV) und liegen daher neben der Sache. Die Freiheitsrechte der Klägerin sind durch die kollektive Religionsfreiheit der Kirchen (Art. 4 Abs. 2 GG) und ihr Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WV) begrenzt (s. Felix Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, Tübingen 2002, S. 305).
Die sehr bescheidene Mitwirkung der gemeinschaftlichen Steuerverbände an der KiSt-Erhebung durch Bestimmung der Höhe des Umlagesatzes (ohnehin seit Jahrzehnten unverändert 8 %) ist durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WV legitimiert.
Die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten zur Erforderlichkeit einer demokratischen Legitimation und zur Einflussnahme des Staates auf die Verwendung kirchlicher Finanzmittel stellen eine grobe Einmischung in das kirchliche Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungsrecht dar und sind daher unbeachtlich.
Gleiches gilt für die angebliche Diskriminierung der Frauen durch die Katholische Kirche. Wenn der Klägerin die Haltung der katholischen Kirche gegenüber der Frau als rückständig erscheint, muss sie von ihrem Austrittsrecht Gebrauch machen. Völlig verfehlt ist in diesem Zusammenhang der Hinweis (S. 6 des Schriftsatzes vom 16. Mai 2002) auf Leistungen des Bayerischen Staates an die zuständige Diözese (Bl. 20 FG-Akte). Es handelt sich nicht um eine die Klägerin treffende KiSt, sondern um Leistungen des Staates aus dem staatlichen Steueraufkommen (z. B. Einkommensteuer, Umsatzsteuer u.a.m.). Offensichtlich will die Klägerin ihre KiSt-Pflicht von einer ihr genehmen Kirchenpolitik abhängig machen. Derartige Druckmittel sind gegenüber dem Steuererhebungsrecht der Kirchen unbehelflich.
Der Vorwurf, die Katholische Kirche würde maßgebende Grundlagen der staatlichen Ordnung prinzipiell ablehnen und ihr müsse daher der Körperschaftsstatus versagt werden (Hinweis auf Ute Suhrbier-Hahn, Das Kirchensteuerrecht, Stuttgart 1999, S. 34; deren Ausführungen gelten, was der Prozessbevollmächtigte verkennt, allerdings nur für gekorene Religionsgemeinschaften, für geborene gilt Art. 137 Abs. 5 Satz 1 WV), ist ebenso unsachlich wie falsch. Aus dem Kodex Juris Canonici von 1983 und den hier einschlägigen Ki...