Entscheidungsstichwort (Thema)
Überschreiten der Gestellungsfrist im Versandverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Die Einfuhrabgaben sind nicht dadurch entstanden, dass die streitgegenständlichen Waren nicht innerhalb der gesetzten Frist bei der Bestimmungsstelle gestellt worden sind. Die bloße Überschreitung der Gestellungsfrist beim Zollamt stellt im Streitfall keine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung i. S. d. Art. 203 Abs. 1 ZK, sondern eine Pflichtverletzung i. S. d. Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK dar, die jedoch gemäß Art. 859 Nr. 2 ZKDVO unbeachtlich ist.
Normenkette
ZK Art. 96 Abs. 1 Buchst. a, Art. 203 Abs. 1, Art. 204 Abs. 1 Buchst. a; ZKDV Art. 340b Nr. 1; ZKDV Art. 361 Abs. 1; ZKDV Art. 365 Abs. 2; ZKDV Art. 859 Nr. 2; ZKDV a.F. Art. 358 Abs. 3, Art. 359 Abs. 1 S. 1, Art. 366 Abs. 1 Unterabs. 2
Tenor
1. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 28. Juni 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 19. November 2008 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Beklagte (das Hauptzollamt) gegenüber der Klägerin Einfuhrabgaben wegen nicht ordnungsgemäßer Erledigung eines Versandverfahrens festsetzen durfte.
Die Klägerin war beauftragt worden, aus Japan stammende Industrienähmaschinen als Ausstellungsstücke zu einer Industriemesse nach X zu transportieren und nach der Messe wieder nach Japan auszuführen. Sie hatte die Waren hierzu bei der Einfuhr zur vorübergehenden Verwendung angemeldet und zur Wiederausfuhr der Nähmaschinen mit Beipack am 4. Juni 2003 als Hauptverpflichtete beim Hauptzollamt X – Zollamt (Abgangsstelle) das Versandverfahren mit der Nr. … eröffnet. Im Versandschein war als Bestimmungsstelle das Zollamt W angegeben und als Frist für die Wiedergestellung der 11. Juni 2003 festgesetzt. Mit der Durchführung des Transports wurde die Fa. H beauftragt, die die Waren am 24. Juni 2003 nach B transportierte, wo die Waren von einer weiteren Spedition (G) am 1. Juli 2003 beim Hauptzollamt B – Zollamt H gestellt wurden. Von dieser Spedition wurde als Hauptverpflichtete für die Nähmaschinen am 2. Juli 2003 beim Hauptzollamt B – Zollamt H (Abgangsstelle) ein weiteres Versandverfahren mit Bestimmungsstelle B-G eröffnet. Als Frist für die Wiedergestellung war der 8. Juli 2003 festgesetzt.
Am 6. Oktober 2003 leitete das Hauptzollamt das Suchverfahren ein, weil bei der Abgangsstelle des Versandverfahrens mit der Nr. … (Hauptzollamt X – Zollamt) weder ein Rückschein der Versandanmeldung eingegangen war noch ein anderer Nachweis über die Beendigung dieses Versandverfahrens vorlag.
Da die Klägerin über den Verbleib der Sendung keine Angaben machen konnte und die Bestimmungsstelle (Zollamt W) mitteilte, dass die Sendung dort nicht gestellt und auch die zugehörige Versandanmeldung nicht vorgelegt worden sei sowie über ihren Verbleib nichts in Erfahrung gebracht werden konnte, setzte das Hauptzollamt mit Einfuhrabgabenbescheid vom 28. Juni 2005 gegenüber der Klägerin Zoll und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt 7.030,65 EUR fest.
Während des Einspruchsverfahrens legte die Klägerin Kopien einer Bescheinigung über die vorübergehende Verwahrung der Nähmaschinen beim Hauptzollamt B – Zollamt H sowie einer japanischen Einfuhranmeldung über sechs automatische Nähmaschinen mit Beipack vor. Das Hauptzollamt erkannte letztere jedoch nicht als Alternativnachweis an, da sie nicht von den japanischen Zollbehörden beglaubigt sei und außerdem die Identität der Waren des Versandverfahrens mit den in Japan abgefertigten Waren nicht zweifelsfrei feststehe. Das Hauptzollamt wies deshalb den Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 28. Juni 2005 mit Einspruchsentscheidung vom 19. November 2008 als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen erhobenen Klage bringt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor:
Die vorgelegte Einfuhranmeldung aus Japan sei ein ausreichender Alternativnachweis. Die Bedenken des Hauptzollamts gegen die Identität der Waren würden nicht greifen, da die in der japanischen Einfuhranmeldung enthaltenen Angaben genau den ursprünglichen Angaben in der streitgegenständlichen Versandanmeldung entsprächen. Außerdem sei zu bedenken, dass die Waren beim Hauptzollamt B gestellt worden seien und dort ein weiteres Versandverfahren eröffnet worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 28. Juni 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 19. November 2008 aufzuheben.
Das Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Es bringt vor, dass die streitgegenständlichen Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien, weil sie nicht innerhalb der gesetzten Frist (11. Juni 2003) bei der Bestimmungsstelle gestellt worden seien. Die Gestellung beim Hauptzollamt B am 1. Juli 2003 und das dort ...