Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung eines Sammelauskunftsersuchens zur Aufdeckung und Ermittlung unerkannter Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften
Leitsatz (redaktionell)
Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung bestehen an der Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens zur Aufdeckung und Ermittlung unerkannter Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften wegen der zumindest zweifelhaften Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung sog. Spekulationsgewinne erhebliche Zweifel.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, § 69
Nachgehend
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Rechtmäßigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, welches der Aufdeckung und Ermittlung noch unbekannter Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG, sog. Spekulationsgewinne) dienen soll.
Die Antragstellerin ist eine in der Rechtsform der Genossenschaft geführte Volksbank. Mit Schreiben vom 24. Juni 2002 richtete der Antragsgegner – im Rahmen eines Pilotverfahrens – ein Auskunftsersuchen im Besteuerungsverfahren gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO iVm § 93 AO an die Antragstellerin. Mit dem Ersuchen erstrebt der Antragsgegner unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 21. März 2002 (VII B 152/01, BFHE 198, 42) Auskünfte über innerhalb der Spekulationsfrist durch Privatkunden getätigte Veräußerungen von Aktien und Fondsanteilen des sog. neuen Marktes (Neuemissionen nach dem 31. Oktober 1997) für die Zeit vom 1. Mai 1998 bis zum 31. Dezember 2000.
Der hiergegen gerichtete Einspruch der Antragstellerin blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 26. November 2002). Über die Klage (11 K 6945/02 AO) hat der Senat noch nicht entschieden.
Die weiterhin begehrte Aussetzung der Vollziehung hat der Antragsgegner versagt und auch den Einspruch der Antragstellerin hiergegen zurückgewiesen.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass ein hinreichender Anlass für das Tätigwerden des Antragsgegners fehle. Insbesondere lägen institutsbezogene Informationen nicht vor. Außerdem bedeute die Vollziehung des Verwaltungsaktes eine unbillige Härte.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Auskunftsersuchens im Besteuerungsverfahren vom 24. Juni 2002 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Hauptsacheverfahren auszusetzen.
Der Antragsgegner ist dem entgegen getreten.
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen der Einspruchsentscheidung betreffend die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung. Ergänzend führt er aus, dass sich der hinreichende Anlass für das Auskunftsersuchen sowohl aus den eigenen Lageberichten der Antragstellerin als auch nach den Feststellungen der durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfungen Herne durchgeführten (regelmäßigen) Betriebsprüfung ergebe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Steuerakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
1. Der Senat lässt es dahingestellt, ob im Streitfall neben allgemein zugänglichen Informationen sonstige – insbesondere bankinterne – Informationen vorliegen, die einen hinreichenden Anlass für die auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) gestützten Ermittlungen bieten (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BFHE 198, 42). Denn die Aussetzung der Vollziehung des Auskunftsersuchens ist bereits wegen der zumindest zweifelhaften Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung sog. Spekulationsgewinne geboten.
a. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll insbesondere dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; seitdem ständige Rechtsprechung). Ernstliche Zweifel können auch verfassungsrechtliche Zweifel an der Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrundeliegenden Norm sein, sofern ein berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht (z.B. BFH-Beschluss vom 23. Oktober 2002 II B 153/01, BFH/NV 2003, 235, BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2000 IX B 128/99, BFHE 194, 157, BFH-Beschluss vom 19. August 1994 X B 318/93, BFH/NV 1995, 143). Ein solches liegt vor, wenn die öffentlichen Belange – insbesondere das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung – nicht i...