rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für die VZ 1994 bis 1996 geltenden Fassung; Glattstellungsgeschäfte als Spekulationsgeschäfte (Vorlage an das BVerfG)
Leitsatz (redaktionell)
1) Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 BVerfGG folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt: Ist § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG und § 22 Nr. 3 S. 1 EStG in der für die Veranlagungszeiträume 1994 bis 1996 maßgeblichen Fassung des EStG vom 07.09.1990 mit Art. 3 Abs 1 GG unvereinbar und nichtig, weil die Durchsetzung des Steueranspruchs bei der Veräußerung von Wertpapieren wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wird?
2) Der Differenzbetrag zwischen Eröffnungsgeschäft und Glattstellungsgeschäft ist als Spekulationsgeschäft nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG steuerpflichtig.
Normenkette
GG Art. 100 Abs. 1; BVerfGG § 80 Abs. 1; EStG § 22 Nr. 3 S. 1, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger tätigte in den Streitjahren 1994 bis 1996 Optionsgeschäfte an der Deutschen Terminbörse (DTB, jetzt: EUREX). Aufgrund des Ergebnisses einer Steuerfahndungsprüfung rechnete der Beklagte dem Kläger Gewinne aus dem Handel mit Aktien und Optionsscheinen gemäß § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zu. Für 1994 wurde die Höhe des Spekulationsgewinns anhand der vorgelegten Unterlagen festgestellt. Für die Streitjahre 1995 und 1996 hatten Unterlagen nur teilweise vorgelegen, so dass Spekulationsgewinne geschätzt wurden. Den gemäß
§ 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheiden 1994 bis 1996 vom 12.12.2001 lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger hatte Optionen erworben bzw. eingeräumt und hierfür Prämien gezahlt oder erhalten. Jeweils innerhalb von sechs Monaten nach Erwerb oder Einräumung der Optionen schloss er ein sogenanntes Glattstellungsgeschäft (Gegengeschäft zum Eröffnungsgeschäft) ab. Für dieses Gegengeschäft hatte er ebenfalls Prämien gezahlt bzw. erhalten. Der Differenzbetrag hieraus (Spekulationsgewinn) betrug 7.506,– DM in 1994. In den Streitjahren 1995 und 1996 schätzte der Beklagte die Differenzbeträge jeweils auf 5.000,– DM.
Der gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 erhobene Einspruch blieb erfolglos.
Der Kläger meint, es handele sich bei den Glattstellungsgeschäften um nicht nach
§ 23 Abs. 1 EStG steuerbare Erlöse. Es fehle an der von dieser Vorschrift vorausgesetzten Identität zwischen angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut. Die Entscheidung des BFH vom 24. Juni 2003 (IX R 2/02, BFHE 202, 351, BStBl. II 2003, 752) übersehe, dass an der Terminbörse gehandelte Optionen nicht nur durch Glattstellung, sondern in erster Linie durch Wahrnehmung der Option verwertet werden könnten.
Darüber hinaus sei der Steuertatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung nicht anwendbar. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Beschluss vom 09. März 2004 2 BvL 17/02
(BStBl. II 2005, 56) die Vorschrift jedenfalls für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 als verfassungswidrig und damit als nichtig angesehen.
Der Kläger beantragt die Freistellung der Kapitaleinkünfte von der Besteuerung.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung, hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Zulassung der Revision.
Er meint, das Urteil des BFH vom 24. Juni 2003 (a.a.0.) sei auf den vorliegenden Fall anwendbar, so dass die Differenzbeträge zu versteuern seien. Im übrigen sei im Streitfall die Rechtslage zwar in den entscheidungserheblichen Punkten mit der für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 maßgebenden Rechtslage identisch. Gleichwohl sei aber § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in den Streitjahren verfassungsgemäß.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung).
Entscheidungsgründe
Der Senat legt die aus dem Tenor ersichtliche Frage gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG), § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor und setzt bis dahin das Verfahren aus. Der Senat bewertet die vom Kläger erzielten Überschüsse aus den Glattstellungsgeschäften als Spekulationsgewinn. Er hält die anzuwendende Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung aber für verfassungswidrig, weil die Durchsetzung des aus dieser Norm entstehenden Steueranspruchs wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wird.
Die Frage ist entscheidungserheblich.
Der Klage kann nach Auffassung des Senats nicht bereits aus anderen Gründen stattgegeben werden.
Nach § 22 Nr. 2 EStG in der Fassung der Streitjahre unterliegen Einkünfte aus Spekulationsgeschäften als sonstige Einkünfte der Besteuerung des § 23 Abs. 1 Satz 1 ...