Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuervergütung; Antrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Die fehlende Eintragung einer Umsatzsteueridentifikationsnummer bzw. Steuernummer der leistenden Unternehmer in die Anlage zum Antrag auf Vorsteuervergütung steht der Vergütungsfähigkeit nicht entgegen.
2. Der Beklagte verfügte mit den eingereichten Rechnungen über sämtliche Angaben, die ihn in die Lage versetzten, die Ordnungsmäßigkeit des geltend gemachten Vorsteuervergütungsanspruchs zu prüfen. Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer stehen die vom Beklagten gerügten formellen Mängel unter Berücksichtigung der skizzierten Rechtsprechung des EuGH dem Vorsteuervergütungsanspruch der Stpfl. nicht entgegen.
Normenkette
UStDV § 61 Abs. 1; UStG § 18 Abs. 9
Tatbestand
I.
Streitig ist die Besteuerung der Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen, insbesondere, ob die unterschiedliche Besteuerung von terrestrischen und virtuellen Spielen zulässig ist.
Die Antragstellerin mit Sitz in O hat die Rechtsform einer GmbH & Co. KG, […].
Die Antragstellerin betreibt in X Gemeinden Spielhallen, in denen Glücksspiel mit Geldspielautomaten betrieben wird. In ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate September 2021 bis Juli 2022 berücksichtigte sie ihre Glücksspielumsätze als gemäß Art. 135 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) steuerbefreit. Die Steueranmeldungen standen einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 Abgabenordnung – AO).
Der Antragsgegner, der hingegen die Glückspielumsätze als umsatzsteuerpflichtig ansah, setzte mit nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheiden die Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume Juli 2021 und September 2021 bis Juli 2022 wie folgt fest:
Zeitraum |
Bescheiddatum |
Festgesetzte Umsatzsteuer in € |
Nachzahlungsbetrag in € |
07/2021 |
09.09.2021 27.09.2021 |
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09/2021 |
12.11.2021 |
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10/2021 |
25.11.2021 |
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11/2021 |
06.01.2022 |
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12/2021 |
04.02.2022 |
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01/2022 |
14.03.2022 |
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02/2022 |
08.04.2022 |
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03/2022 |
06.05.2022 |
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04/2022 |
31.05.2022 |
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05/2022 |
20.07.2022 |
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06/2022 |
23.08.2022 |
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07/2022 |
21.09.2022 |
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Die Antragstellerin legte gegen die Bescheide jeweils Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Sie vertrat weiter die Auffassung, dass die Betreiber von Spielhallenumsatzsteuer wegen des Grundsatzes der umsatzsteuerlichen Gleichbehandlung wie die seit dem 01.07.2021 zugelassenen Online-Casinos von der Umsatzsteuer befreit seien. Außerdem habe in 2020 die europäische Kommission ein Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen unzulässiger Beihilfen eingeleitet, die darin gesehen würden, dass den Spielbanken, die mit der Spielhallenbranche in Wettbewerb stünden, erlaubt worden sei, die Spielbankenabgabe mit der Umsatzsteuer zu verrechnen. Aufgrund dieses Verfahrens gebe es bei innerstaatlichen Stellen eine bindende Stillhaltepflicht gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB. Auch vor diesem Hintergrund müsse eine AdV erfolgen.
Für die Umsatzsteuer-Voranmeldungszeiträume Juli, September und Oktober 2021 lehnte der Antragsgegner die Anträge auf AdV unter Hinweis auf die bisherigen von der Antragstellerin beim Finanzgericht Münster und beim Bundesfinanzhof (BFH) geführten Verfahren zunächst jeweils ab.
Mit Beschluss vom 27.12.2021, Az. 5 V 2705/21 U, gewährte der beschließende Senat die Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuervorauszahlung für August 2021 und ließ die Beschwerde zum BFH zu. Am 20.01.2022 legte der Antragsgegner gegen den Beschluss des Senats über die AdV der Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum August 2021 Beschwerde beim BFH ein, die dort unter dem Aktenzeichen XI B 9/22 (AdV) geführt wurde.
In der Folgezeit setzte der Antragsgegner die Umsatzsteuer der Umsatzsteuer-Voranmeldungszeiträume November 2021 bis April 2022 in Höhe der jeweiligen Nachzahlungsbeträge ab Fälligkeit und zunächst bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens XI B 9/22 (AdV) beim BFH gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Münster vom 27.12.2021 (5 V 2705/21 U) zur Umsatzsteuer-Voranmeldung August 2021 von der Vollziehung aus. Die AdV wurde jedoch jeweils von einer ca. 50%igen Sicherheitsleistung abhängig gemacht (§ 361 Abs. 2 Satz 5 AO). Es wird auf die Begründungen zur Anordnung der Sicherheitsleistungen Bezug genommen. Der Antragsgegner behielt sich jeweils vor, die AdV nach pflichtgemäßem Ermessen zu widerrufen. Der Antragsteller wandte sich gegen diese Bescheide.
Mit Bescheiden vom 16.08.2022 für die Voranmeldungszeiträume Juli 2021 und September 2021 bis Mai 2022, mit Bescheid vom 14.09.2022 für den Voranmeldungszeitraum Juni 2022 und mit Bescheid vom 10.10.2022 für den Voranmeldungszeitraum Juli 2022 setzte der Antragsgegner die jeweils festgesetzte Umsatzsteuer ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den jeweiligen Einspruch oder anderweitiger Beendigung des jeweiligen Verfahrens in voller Höhe von der Vollziehung aus. Die AdV wurde je...