Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Bekanntgabe eines Einspruchsbescheids an den steuerlichen Berater bei Widerruf der Vollmacht innerhalb von drei Tagen nach Aufgabe des Einspruchsbescheids zur Post
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Behörde handelt nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie die Einspruchsentscheidung an den Bevollmächtigten bekannt gibt, der den Einspruch eingelegt hat.
2. Verfahrenshandlungen der Finanzbehörde sind bis zum Zugang des Widerrufs bei der Finanzbehörde gegenüber dem bisherigen Bevollmächtigten wirksam, so dass der Mitteilung des Widerrufs keine Rückwirkung zukommt.
3. Die Klagefrist beginnt auch dann mit Ablauf des dritten Tages nach Aufgabe zur Post zu laufen, wenn dem Empfänger der Verwaltungsakt innerhalb der Drei-Tages-Frist zugegangen ist, er diesen aber noch innerhalb der Frist wieder aus seinem Machtbereich entfernt hat – sei es durch Rücküberweisung an das Finanzamt oder durch Entsorgung.
Normenkette
AO § 80 Abs. 2 S. 1, § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 124; FGO § 47 Abs. 1; AO § 80 Abs. 1 S. 3
Tatbestand
I.
Streitig ist die Wahrung der Klagefrist.
Die Klägerin wurde im Streitzeitraum mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Im Jahr 2019 führte der Beklagte bei der Klägerin für die Veranlagungszeiträume 2014 bis 2016 eine Betriebsprüfung durch. Die Prüfungsanordnung vom 22.02.2019 wurde an Herrn Steuerberater L 1 als Empfangsbevollmächtigten der Klägerin übersandt. Mit Schreiben vom 05.03.2019 übersandte der Beklagte Herrn Steuerberater L 1 eine Zusammenstellung der Besprechungspunkte über die Betriebsprüfung bei der Klägerin. Mit Schreiben vom 14.05.2019 nahmen Herr Steuerberater L 1 sowie Herr Steuerfachwirt L 2 zu den Prüfungsfeststellungen Stellung. Die Betriebsprüfung endete mit Betriebsprüfungsbericht vom 01.10.2019. Ausweislich des Prüfungsberichts vom 01.10.2019 fungierte als steuerlicher Berater der Klägerin Herr L. Im Rahmen des Berichts traf der Betriebsprüfer die Feststellung, dass der Haltung von Pensionspferden die ertragsteuerliche Anerkennung als Erwerbsbetrieb zu versagen sei. Soweit die Steuerbescheide der Vergangenheit (2008 und 2009) vorläufig ergangen seien, seien die Verluste zu korrigieren. In Folge dieser Außenprüfung ergingen am 25.03.2020 geänderte Bescheide zur Einkommensteuer 2007 bis 2017, zur Umsatzsteuer 2014 bis 2016 sowie zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Verlusts zur Einkommensteuer zum 31.12.2008 bis 31.12.2017.
Ausweislich eines in den Verwaltungsakten enthaltenen Vermerks vom 12.03.2020 legte der in den Grunddaten des Beklagten gespeicherte Steuerberater L 1 seine Kanzlei mit der Kanzlei O & A zusammen. Der Beklagte speicherte als Empfangsbevollmächtigte die O & A GmbH & Co.KG.
Entsprechend wurden die Änderungsbescheide zur Einkommensteuer 2007 bis 2017, zur Umsatzsteuer 2014 bis 2016 sowie zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Verlusts zur Einkommensteuer zum 31.12.2008 bis 31.12.2017 an die O & A GmbH & Co. KG als Empfangsbevollmächtigte der Klägerin übersandt.
Mit Schreiben vom 30.04.2020 legten Herr A sowie Herr L 2 unter Verwendung eines Briefbogens der „O & A Wirtschaftsprüfer, Steuerberater” namens und im Auftrag der Klägerin Einsprüche gegen die oben benannten Bescheide ein. Namens und im Auftrag des Ehemannes legten sie Einsprüche gegen die Einkommensteuer- und Verlustfeststellungsbescheide ein. Der Beklagte erinnerte mit Schreiben vom 05.05.2020 und 09.07.2020 an die Begründung der Einsprüche. Die Schreiben wurden an die O & A GmbH & Co.KG als Empfangsbevollmächtigte der Klägerin adressiert. Ausweislich eines in den Akten des Beklagten enthaltenen Telefonvermerks wurde telefonisch Fristverlängerung zunächst bis zum 28.08.2020 und sodann bis zum 11.09.2020 beantragt. Eine Begründung der Einsprüche erfolgte auch nach Fristablauf nicht.
Mit Einspruchsentscheidungen jeweils vom 30.09.2020 wies der Beklagte die Einsprüche der Klägerin sowie des Ehemannes als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidungen wurden an die „O und A GmbH & Co.KG” als Bevollmächtigte der Klägerin, bzw. als Bevollmächtigte des Ehemannes übersandt. Ausweislich der in den Verwaltungsakten vorhandenen Absendeverfügung erfolgte die Aufgabe zur Post am Mittwoch, den 30.09.2020. Mit Schreiben vom Freitag, dem 02.10.2020 teilte Herr Wirtschaftsprüfer und Steuerberater A mit, dass die Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen zugunsten der Klägerin sowie ihres Ehemannes erloschen sei. Die Einspruchsentscheidungen vom 30.09.2020 lagen dem Schreiben bei. Ausweislich der in den Akten vorhandenen Absendeverfügung gab der Beklagte eine an die Klägerin persönlich adressierte Ausfertigung der Einspruchsentscheidung am 08.10.2020 zur Post. Gleiches galt für eine an den Ehemann persönlich adressierte Ausfertigung der Einspruchsentscheidung.
Am 05.11.2020 erteilte die Klägerin eine Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen zugunsten der Prozessbevollmächtigten.
Mit E-Mail vom 03.12.2020 bat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten darum, ihm di...