Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung eines sog. Einkünftequalifizierungsbescheides; Zeitpunkt der Entstehung eines Auflösungsgewinns/verlustes bei Liquidation der Kapitalgesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine verbindliche Entscheidung über die Einkünftezuordnung nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 EStG aufgrund von einem Gesellschafter außerhalb der Gesellschaft verwirklichter Besteuerungsmerkmale hat nicht das Gesellschafts-Finanzamt im Feststellungsverfahren nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977, sondern das für die persönliche Besteuerung des Gesellschafters zuständige Finanzamt zu treffen. Der Bescheid ist Grundlagenbescheid für die vom Gesellschafts-Finanzamt verbindlich vorzunehmende Einkünfteermittlung.
2. § 155 Abs. 2 AO 1977 ist nicht mehr anwendbar, wenn ein Grundlagenbescheid bereits ergangen ist.
3. Ein Auflösungsgewinn bzw. -verlust i.S. des § 17 Abs. 2 und 4 EStG ist im Falle der Auflösung der Kapitalgesellschaft durch Gesellschafterbeschluss mit anschließender Liquidation regelmäßig auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation zu ermitteln.
Normenkette
AO 1977 § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1, 1 Nrn. 2, 2a, § 155 Abs. 2; EStG § 17 Abs. 4, 2, 4 S. 1, § 2 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger (Kl.) einen gewerblichen Grundstückshandel betreibt, und ob hierbei das für die Veranlagung der Kl. zur Einkommensteuer (ESt) zuständige Finanzamt (FA) berechtigt ist, Anteile des Kl. an einheitlich und gesondert festgestellten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (VuV) in seiner Person als Einkünfte aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren und der Höhe nach anderweitig zu ermitteln, sowie ob im Jahr 1988 ein Veräußerungsverlust gemäß § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen ist.
Der Kl. hatte vor dem streitigen Zeitraum, während der Streitjahre und danach bebaute Grundstücke bzw. Anteile an solchen Grundstücken erworben und zum Teil wieder veräußert. Teils hatte er in eigener Person gehandelt, teils zusammen mit seiner Ehefrau und teils zusammen mit fremden Personen in Gesellschaften bürgerlichen Rechts –GbR–. Darüber hinaus war er – zum Teil zusammen mit seiner Ehefrau – an einer Gemeinschaft beteiligt, die ein Hotelgebäude errichtet hatte. Für die verschiedenen GbR's und Gemeinschaften waren die Einkünfte von anderen FÄ gem. § 180 Abgabenordnung (AO) einheitlich und gesondert festgestellt worden. Vor bzw. nach dem streitigen Zeitraum 1988 bis 1990 hatte der Kl. nach den Feststellungen des FA folgende Grundstücke angeschafft und wieder veräußert:
Bezeichnung |
Anschaffung |
Veräußerung |
Anteil |
Grundstück I |
1982 |
1991 |
zuletzt 16,5 v.H. |
Grundstück II |
1988 |
1991 |
zuletzt 16,5 v.H. |
Grundstück III |
1989 |
1991 |
zuletzt 16,5 v.H. |
Grundstück IV Wohnungen 35 und 37 |
1982 |
1991 |
½ jeweils mit Ehefrau |
Grundstück V Wohnung 69 |
1987 |
1991 |
½ mit fremder Person |
Grundstück VI Wohnungen 12 und 13 |
1989 |
1991 |
1/1 |
Grundstück VII Wohnung 72 und 73 |
1991 |
1991 |
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Grundstück VIII |
1984 |
1989 |
½ mit fremder Person |
Grundstück IX |
1984 |
1988 |
½ mit fremder Person |
Grundstück X |
1991 |
1991 |
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Grundstück XI |
1982 |
1987 |
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Grundstück XII |
1987 |
1987 |
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Grundstück XIII |
1986 |
1986 |
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Grundstück XIV 1. Wohnung |
1986 |
1987 |
|
Grundstück XIV 2. Wohnung |
1986 |
1987 |
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Für die Streitjahre berücksichtigte zunächst das FA in den ESt-Bescheiden vom 03.12.1993 (1988), vom 03.12.1993 (1989) und vom 12.12.1995 (1990) die folgenden Einkünfte:
Bezeichnung |
Einkunftsart |
Höhe: DM 1988 |
Höhe: DM 1989 |
Höhe: DM 1990 |
A/Kläger GbR Grundstücke XV, XVI, XVII FA StNr. |
gewerblich |
5.152,00 |
./. 14.277,00 |
203.456,00 |
B/Kläger Grundstücke XVIII, XIV, XX, XXI, XXII FA StNr. |
gewerblich |
897,00 |
32.500,00 |
450.179,00 |
B/C/Kläger Grundstück XXIII FA StNr. |
gewerblich |
./. 38.727,00 |
./. 28.944,00 |
./. 73.561,00 |
D/C/Kläger Grundstück XXIV FA StNr. |
gewerblich |
|
|
./. 9.765,00 |
E/Kläger Grundstück XXV FA StNr. |
VuV |
4.743,00 |
2.163,00 |
7.717,00 |
C/Kläger Grundstück VIII FA StNr. |
VuV |
./. 18.582,00 |
./. 1.500,00 |
|
Grundstück (I, II oder III) FA StNr. |
VuV davon Sonder-WK |
Anteil 12,59 v.H. ./. 3.146,00 ./. 9.566,00 |
Anteil 16,5 v.H. ./. 11.507,00 ./. 9.715,00 |
Anteil 16,5 v.H. ./. 11.363,00 ./. 11.340,00 |
Hotel I Neubau FA StNr. |
VuV Ehemann Nr. 12, 13 und 69 VuV Ehem./Ehefrau Nr. 35 und 37 |
1.226,00 |
385,00 |
./. 588,00 ./. 228,00 |
C/Kläger Grundstück XXVI FA StNr. |
VuV |
6.356,00 |
1.713,00 |
1.445,00 |
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gesamt Beteiligungseinkünfte Gewerbebetrieb |
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./. 32.678,00 |
./. 10.721,00 |
570.309,00 |
gesamt Beteiligungseinkünfte VuV Ehemann |
|
./. 9.403,00 |
./. 8.746,00 |
./. 3.017,00 |
gesamt Beteiligungseinkünfte VuV Ehefrau |
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1.707,00 (1/2 davon Ehemann) |
543,00 (1/2 davon Ehemann) |
./. 228,00 |
Hierdurch kam es unter Berücksichtigung der sonstigen Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau zu ESt-Festsetzungen in folgender Höhe:
1988 |
1989 |
1990 |
0 DM |
0 DM |
263.926,00 DM |
Im Jahr 1995 wurde bei dem Kl. für die Streitjahre 1988 bis 1990 eine Betriebsprüfung durchgeführt. Nach Auffassung des Prüfers führten sämtliche Grundstücksgeschäfte zusammengenommen unter Beachtung der Grundsätze im Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 03.07.1995 GrS 1/93 (BStBl. II 1995...