Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass einer Kindergeldrückforderung nach Anrechnung auf SGB II
Leitsatz (redaktionell)
Es besteht kein Anspruch auf Erlass einer Kindergeldrückforderung aus sachlichen Billigkeitsgründen, soweit das Kindergeld auf die Leistungen nach SGB II nicht angerechnet worden ist, vorliegend in Höhe einer Versicherungspauschale von 30 €.
Normenkette
EStG § 68; AO § 227
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Erlass einer Kindergeldrückforderung zu Recht abgelehnt hat.
Mit Bescheid vom 15.11.2012 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für das Kind der Klägerin K. (geb. am xx.09.1989) ab Januar 2011 auf und forderte das Kindergeld für den Zeitraum von Januar 2011 bis Juli 2012 in Höhe von 3.496 € zurück. Hintergrund war, dass der Sohn K. Ende des Jahres 2010 die Schule abgebrochen hatte. Diesen Umstand hatte die Klägerin zwar dem Jobcenter, nicht aber der Familienkasse mitgeteilt. Die Klägerin konnte – auch im nachfolgenden Einspruchsverfahren gegen den Rückforderungsbescheid – nicht belegen, dass trotz abgebrochener Schulausbildung die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) im Streitzeitraum vorgelegen hatten. Die Klägerin hat keine Klage erhoben, so dass der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid bestandskräftig geworden ist.
Mit Schreiben vom 09.09.2013 beantragte die Klägerin den Erlass des zurückgeforderten Kindergeldes aus Billigkeitsgründen nach § 227 Abgabenordnung (AO). Sie begründete diesen Antrag damit, dass sie andernfalls einen Betrag zurückzahlen müsse, den sie bereits durch Kürzung der damals erhaltenen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) aufgebracht habe. Ferner beziehe sie inzwischen nur eine Erwerbsunfähigkeitsrente, von der sie gerade ihren Lebensunterhalt bestreiten könne.
Mit Billigkeitserlass vom 27.05.2014 erließ die Beklagte die Kindergeldrückforderung in Höhe von 2.772,00 € einschließlich aufgelaufener Säumniszuschläge in Höhe von 586,50 €. Einen darüber hinausgehenden Erlass der Restforderung in Höhe von 724,00 € zzgl. 168,00 € Säumniszuschläge lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.06.2015 ab. Ein weitergehender Erlass sei auch aus persönlichen Gründen nicht angezeigt, da der wirtschaftlichen Lage der Klägerin ggf. durch eine Stundung Rechnung getragen werden könne.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 15.06.2015 Einspruch ein. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass ihr das Kindergeld nicht zugutegekommen sei. Das Jobcenter hätte die Kindergeldbeträge sofort als Einkommen verrechnet und die Leistungen nach dem SGB II entsprechend gekürzt. Nach der Rechtsprechung sei in den Fällen der Rückforderung von Kindergeld eine Neuentscheidung des Jobcenters nicht möglich, jedoch könne eine Korrektur durch eine Billigkeitsentscheidung der Familienkasse erfolgen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 06.08.2015 wies die Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die auf die SGB II-Leistungen angerechneten Beträge seien bereits aus Billigkeitsgründen erlassen worden, so dass ein weiterer Erlass nicht in Betracht komme.
Mit der am 09.09.2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Klägerin habe im Zeitraum von Januar 2011 bis Juli 2012 SGB II-Leistungen bezogen, wobei das Kindergeld angerechnet worden sei. Später habe sich herausgestellt, dass das Kindergeld zu Unrecht gezahlt worden sei. In Anbetracht der Tatsache, dass das Jobcenter sich regelmäßig auf den Zufluss des Kindergeldes berufe und eine Nachzahlung von SGB II-Leistungen daher nicht erfolgen könne, sei nach der Rechtsprechung ein Billigkeitserlass nach § 227 AO vorzunehmen, weil der Sozialhilfeempfänger wegen der erfolgten Anrechnung real nicht bereichert sei.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.08.2015 zu verpflichten, ihr auch die Restforderung in Höhe von 724,00 € zzgl. 168,00 € Säumniszuschläge zu erlassen.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin habe in der Zeit von Januar 2011 bis Juni 2012, also 18 Monate, Leistungen nach dem SGB II unter Anrechnung von Kindergeld bereinigt um die Versicherungspauschale in Höhe von 30 € (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-VO) erhalten. Dementsprechend seien 18 × 154 € = 2.772 € (nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 586,50 € von der ursprünglichen Forderung in Höhe von 3.496 € aus sachlichen Billigkeitsgründen erlassen worden. Die weitere Einziehung der verbliebenen Forderung (3.496 € – 2.772 € = 724 €) nebst Säumniszuschlägen sei nicht unbillig, ein Erlass komme daher insoweit nicht in Betracht.
In der Sache hat am 25.11.2016 ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter stattgefunden, in dem die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch den Berichterstatter nach § 79a Abs. 3, 4 FGO einverstanden erklärt haben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Pr...