Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellung für künftige Aufwendungen zur Betreuung von Bestandskunden
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein Versicherungsmakler, der zur Betreuung von Altverträgen rechtlich verpflichtet ist ohne hierfür eine Bestandspflegevergütung zu erhalten, hat für künftige Betreuungsaufwendungen eine Rückstellung zu bilden.
2) Weder den gesetzlichen Regelungen des HGB noch denjenigen des EStG lässt sich eine Einschränkung der Pflicht zur Bildung von Rückstellungen auf wesentliche Verpflichtungen entnehmen (entgegen Nichtanwendungserlaß des BMF v. 28.11.2006, BStBl. I 2006, 765).
Normenkette
HGB § 249 Abs. 1 S. 1; EStG § 5 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 28.07.2010; Aktenzeichen I R 11/09) |
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Versicherungsmakler eine Rückstellung für künftige Aufwendungen zur Betreuung von Bestandskunden bilden darf.
Die Klägerin, eine GmbH, ist als Versicherungsmakler für verschiedene Versicherungsgesellschaften tätig. Bei ihren Kunden handelt es sich überwiegend um Zahnärzte, die Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen zur Praxis- bzw. Immobilienfinanzierung einsetzen.
Die Versicherungsgesellschaften, für die die Klägerin tätig ist, zahlen für die Vermittlung von Lebensversicherungsverträgen grundsätzlich nur eine Einmalprovision, nicht aber laufende Bestandspflegeprovisionen. Davon abweichend zahlt die A-Versicherung / B-Versicherung auch für Kapital- und Rentenversicherungen eine Bestandspflegevergütung; dies gilt allerdings nicht für Beiträge zu Sammelinkassoversicherungen. Auch die A_Versicherung zahlt eine Betreuungscourtage; dies gilt allerdings nicht bei Versicherungen innerhalb von Rahmenverträgen.
Mit ihren Kunden schloss die Klägerin jeweils gleichlautende schriftliche Versicherungsmaklerverträge, in denen es – so die bis ins Jahr 2003 verwendete Fassung – u.a. heißt: „Der Versicherungsmakler übernimmt für den Auftraggeber in erster Linie die Vermittlung von Versicherungsverträgen zu günstigen Bedingungen und Prämien. Daneben erfolgt im Interesse des Auftraggebers die Verwaltung und Betreuung bestehender Versicherungsverträge sowie der durch den Makler vermittelten Versicherungsverträge.” Weiter wurde die Klägerin bevollmächtigt, für den Auftraggeber „einen vollen Kundendienst durch Abwicklung aller Versicherungsangelegenheiten durchzuführen”, der sich insbesondere auf die Verwaltung der bestehenden und neu abzuschließenden Versicherungen erstrecken sollte. Eine Vergütung für die Verwaltungstätigkeiten schuldete der Auftraggeber nicht; die Klägerin wies in den Formularverträgen vielmehr ausdrücklich darauf hin, dass sie von den Versicherungsunternehmen Maklercourtagen erhalte. Die Verträge wurden zunächst für ein Jahr geschlossen und sollten sich stillschweigend um jeweils ein Jahr verlängern, sofern sie nicht zuvor gekündigt würden.
In den spätestens ab September 2003 verwendeten Vertragsformularen heißt es, dem Makler „obliegt” die Betreuung von Versicherungsangelegenheiten des Auftraggebers. Diese Verträge sind ohne Einhaltung einer Frist kündbar.
Die Klägerin erbringt für ihre Kunden die folgenden Betreuungsleistungen:
- aktentechnische Verwaltung des von den Versicherungsgesellschaften übersandten Doppels der Jahresmitteilungen und Beantwortung etwaiger Rückfragen der Kunden;
- regelmäßige Erstellung eines Vermögensstatus für die finanzierenden Banken, denen die Versicherungsansprüche als Sicherheiten dienen;
- Beratungsgespräche wegen der Anpassung der Tilgungsstrategie aus Anlass der sich häufig als nicht ausreichend erweisenden Deckung der Finanzierungsdarlehen durch die Versicherungsansprüche, aus Anlass des Ablaufs der Zinsbindungsfrist und wegen eines Hinausschiebens des Beginns der Ablaufphase;
- Erstellung von Anschreiben für die Kunden im Falle der Kündigung des Vertrags bei hinausgeschobener Ablaufphase.
Die Klägerin bildete in ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember des Streitjahrs 2004 erstmals eine „Rückstellung für Vertragserfüllung” i.H.v. 44.250 EUR. Die Bilanzsumme belief sich auf 543.265 EUR; bei Umsatzerlösen i.H.v. 716.008 EUR wurde ein handelsrechtlicher Jahresüberschuss von 98.707 EUR erzielt.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) folgte im ursprünglichen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Körperschaftsteuer-(KSt-)Bescheid vom 15. August 2006 zunächst den Angaben der Klägerin. Hingegen erkannte er im angefochtenen, auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheid vom 7. Mai 2007 – neben weiteren, hier nicht streitigen Änderungen – die Bildung der Rückstellung nicht mehr an und erhöhte den Gewinn entsprechend. Dabei unterließ er es jedoch, die Gewerbesteuerrückstellung gegenläufig anzupassen.
Der Einspruch, den die Klägerin vor allem mit der Zulassung der Rückstellungsbildung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 28. Juli 2004 XI R 63/03, BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866) begründete, blieb in diesem Punkt ohne Erfolg.
Im Klageverfahren hat die Klägerin der Berechnung der Rückstellung nur noch...